im garten der zitate
"Wir sehen diese süße Gondel, diese Hochzeits-Kutsche von einem Karussel des Wiener Wurstl-Praters – in etwas von dieser Art scheint uns das Gärtchen verwandelt – heute noch heiter unter klingelndem Spiel in der Tiefe der Jahre schweben, ja wie einen bunten Luftballon gegen den Oktoberhimmel steigen, in welchem ein reifes Gold stand wie Weinglanz."
(Die Strudlhofstiege, 1951, letzte Seite)
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„Glücklich ist nicht, wer vergißt, was nicht mehr zu ändern ist; so etwas kann überhaupt nur in einer Operette vorkommen. Eine derartige Auffassung würde nicht weniger wie ein Unterbleiben der Evidenz bedeuten, beziehungsweise als solches anzusehen sein. Glücklich ist vielmehr derjenige, dessen Bemessung seiner eigenen Ansprüche hinter einem diesfalls herabgelangten höheren Entscheid so weit zurückbleibt, daß dann naturgemäß ein erheblicher Übergenuß eintritt.“
(Glücksdefinition des Amtsrates Julius Zihal am Ende von "Die Strudlhofstiege")
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"Man sah weit, beinahe aus jedem Fenster. Das Auge stürzte in ein Kissen von Dunkelheit, die bei genauerem Hinsehen sich zerlegte, entlang einer sanftgeschwungenen Linie: Nachthimmel und Berg. Man sah weit drüben die Lichter von Villen, übereinandergereiht an den Hängen. Man sah keine endlos gleichen Reihen elektrischer Straßenlampen zwischen endlos gleichen Reihen von Häusern. Vielmehr war hier alles verstreut; und einzelweise, fast dörflich, erwachten nach gesunkener Dunkelheit die Fenster des Stadtteils."
(Die Dämonen,1956, S.260)
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"Als der Vollmond untergegangen, genauer gesagt, hinter den hohen Bergen ganz verschwunden war, verfinsterte sich die Nacht gegen den Morgen zu immer mehr, trotz der Sternklarheit, die aber im tiefen Forste nur selten einen Blitz zwischen die Äste schoss. Endlich war alles in dichteste Dunkelheit gepackt. Ein fallendes dürres Blatt, das den bescheidenen Wipfel eines der hier zwischen die hohen Tannen eingedrungenen Birkenstämmchen verließ, hätte in diesem vollkommenen Geräusch-Vacuum deutlich gehört werden können, noch mehr das Vorschnellen einer kleinen Eidechse aus einer verrotteten Blätterschicht, worin sie sich für die Nacht geborgen: nun aber war sie durch das Rascheln erschreckt worden. Diesem antwortete weiterhin nichts mehr, und kein Zweiglein rührte sich. Der Wald schwieg wie ein Grabgewölbe. Auch auf dem Wege draußen, der waagrecht am Hange entlang lief, parallel mit dem bergseitigen Parkzaun des Erholungsheimes – hier befand sich auch jenes Türchen, durch welches Leonhard einst getreten war, und bald mehr in den Wald hinein, als aus dem Park heraus – auch auf jenem Wege lag dick die Dunkelheit. Man konnte weder ihn noch den Zaun oder gar das Türchen darin sehen, man sah von alledem gar nichts, nur ein paar Sterne über dem Scheitel, weil die Äste den Weg nicht ganz übergriffen.
Aber ein Kundiger hätte auch ohne Uhr in der tiefen Finsternis hier das Heraufkommen des Morgens erkannt. Es gab einen feinen Luftzug, der weitaus noch kein Geräusch erzeugte, überdies bald wieder aufhörte. Und nicht lange nach diesem ertönte von rückwärts, aus der schwarzen Tiefe des Waldes – die’s also als erste wußte! – der erste Pfiff. Noch blieb er ohne Antwort aus anderen Wipfeln. Aber wenn man jetzt scharf zwischen den Bäumen im Park des Erholungsheimes nach Osten gelugt hätte, dann wäre dort über dem Kimm der Berge die grüne Verfärbung des Himmels bereits zu bemerken gewesen."
(Die Dämonen,1956, S.1206)
alle zitate: Heimito von Doderer.
...weil es mich in diesen tagen nach seinen ungekürzten, unverstümmelten, undramatisierten, puren und originalen wortgemälden verlangt.
(Die Strudlhofstiege, 1951, letzte Seite)
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„Glücklich ist nicht, wer vergißt, was nicht mehr zu ändern ist; so etwas kann überhaupt nur in einer Operette vorkommen. Eine derartige Auffassung würde nicht weniger wie ein Unterbleiben der Evidenz bedeuten, beziehungsweise als solches anzusehen sein. Glücklich ist vielmehr derjenige, dessen Bemessung seiner eigenen Ansprüche hinter einem diesfalls herabgelangten höheren Entscheid so weit zurückbleibt, daß dann naturgemäß ein erheblicher Übergenuß eintritt.“
(Glücksdefinition des Amtsrates Julius Zihal am Ende von "Die Strudlhofstiege")
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"Man sah weit, beinahe aus jedem Fenster. Das Auge stürzte in ein Kissen von Dunkelheit, die bei genauerem Hinsehen sich zerlegte, entlang einer sanftgeschwungenen Linie: Nachthimmel und Berg. Man sah weit drüben die Lichter von Villen, übereinandergereiht an den Hängen. Man sah keine endlos gleichen Reihen elektrischer Straßenlampen zwischen endlos gleichen Reihen von Häusern. Vielmehr war hier alles verstreut; und einzelweise, fast dörflich, erwachten nach gesunkener Dunkelheit die Fenster des Stadtteils."
(Die Dämonen,1956, S.260)
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"Als der Vollmond untergegangen, genauer gesagt, hinter den hohen Bergen ganz verschwunden war, verfinsterte sich die Nacht gegen den Morgen zu immer mehr, trotz der Sternklarheit, die aber im tiefen Forste nur selten einen Blitz zwischen die Äste schoss. Endlich war alles in dichteste Dunkelheit gepackt. Ein fallendes dürres Blatt, das den bescheidenen Wipfel eines der hier zwischen die hohen Tannen eingedrungenen Birkenstämmchen verließ, hätte in diesem vollkommenen Geräusch-Vacuum deutlich gehört werden können, noch mehr das Vorschnellen einer kleinen Eidechse aus einer verrotteten Blätterschicht, worin sie sich für die Nacht geborgen: nun aber war sie durch das Rascheln erschreckt worden. Diesem antwortete weiterhin nichts mehr, und kein Zweiglein rührte sich. Der Wald schwieg wie ein Grabgewölbe. Auch auf dem Wege draußen, der waagrecht am Hange entlang lief, parallel mit dem bergseitigen Parkzaun des Erholungsheimes – hier befand sich auch jenes Türchen, durch welches Leonhard einst getreten war, und bald mehr in den Wald hinein, als aus dem Park heraus – auch auf jenem Wege lag dick die Dunkelheit. Man konnte weder ihn noch den Zaun oder gar das Türchen darin sehen, man sah von alledem gar nichts, nur ein paar Sterne über dem Scheitel, weil die Äste den Weg nicht ganz übergriffen.
Aber ein Kundiger hätte auch ohne Uhr in der tiefen Finsternis hier das Heraufkommen des Morgens erkannt. Es gab einen feinen Luftzug, der weitaus noch kein Geräusch erzeugte, überdies bald wieder aufhörte. Und nicht lange nach diesem ertönte von rückwärts, aus der schwarzen Tiefe des Waldes – die’s also als erste wußte! – der erste Pfiff. Noch blieb er ohne Antwort aus anderen Wipfeln. Aber wenn man jetzt scharf zwischen den Bäumen im Park des Erholungsheimes nach Osten gelugt hätte, dann wäre dort über dem Kimm der Berge die grüne Verfärbung des Himmels bereits zu bemerken gewesen."
(Die Dämonen,1956, S.1206)
alle zitate: Heimito von Doderer.
...weil es mich in diesen tagen nach seinen ungekürzten, unverstümmelten, undramatisierten, puren und originalen wortgemälden verlangt.
david ramirer - Freitag, 17. Juli 2009, 11:16