3. Folge: Rendez-vouz im Badezimmer
im Schauspielhaus Wien wird derzeit in zwölf Folgen Die Strudlhofstiege von Heimito von Doderer als "Fortsetzungstheaterstück" aufgeführt: 12 Abende, 12 Regisseure, 4 Schauspielerinnen und Schauspieler, 900 Seiten Roman.
Ich begleite, gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Heimito von Doderer-Gesellschaft, dieses Projekt in Form von kurzen Eindruckswiedergaben, die im Doderer-Forum, und hier, nachzulesen sind.
Folge 3: Reifes Obst (Aufführung vom 18.1.2008)
Regie: Rudolf Frey
Seite 225-295
In der dritten Woche des zwölfstufig großromandurchmessenden Projektes wird die Schneiderei, in der die Inszenierungen Platz greifen, langsam zur dynamischen Wohngemeinschaft: nicht nur das Ensemble wird rasch wiedererkannt, auch das Publikum ist zum Teil aus bekannten Gesichtern zusammengesetzt, da die Serie mit gleichbleibenden Wochentagen verkauft wurde und sich das Publikum daher strukturiert einfindet.
Vor Beginn der Vorstellung hört man geflüstertes Geplauder der Gäste über den Inhalt und mögliche Kongruenzen der Protagonisten: "...ich habe ja gehört, dass der Major Melzer recht autobiographisch sein soll". Als Konsument des Doderer-ABCs wollte ich da einwerfen "der René Stangeler aber noch viel mehr", was zeigt, dass eine begleitende Ebene der Serie vielleicht guttun würde. Die Besucher der Stücke könnten sich eventuell nach den Aufführungen in einem Lokal zusammenfinden um über Lese- und Stückerfahrungen zu diskutieren. Zumindest wäre das anzuregen im Sinne einer Theaterförderung.
In der dritten Folge wurde das bereits gewohnte Konzept der anfänglichen Vorstellrunde mit augenzwinkernder Reaktion der Protagonisten charmant abgewickelt, bevor dann die "Garden-Party" bei den Schmellers rasant, fast stummfilmhaft, abgerollt wurde. Wohl aus Versehen bekam Asta Stangeler (Marion Reiser) das entzückende violette Einhörndl aus der ersten Folge beim Schmettern einer Türe aus der Höhe auf den Kopf, doch sie baute dieses Bühnenbildmalheur wirklich gut in die ohnehin sich in Bedrängnis befindliche Figur der Asta ein.
Wunderbar griff das "kleine Empfangszimmer" in der Akademie als Begrenzung einer der witzigsten Szenen des Abends ein, wo sich alle vier Schauspieler versammelten, um dann auf engstem Raume Zeuge des Telefonats Teddy Honneggers mit Semski zu werden.
Dramatischer Gipfelmoment des Abends war aber in meinen Augen nicht die Schlagobersschlacht in der Konditorei und das Vorübergleiten von Etelka im Fenster (großartig: Christian Dolezal, der den esoterisch durchschäumten Jungstudenten René Stangeler mit viel Bezug zur Gegenwart aufstellt: "ich bin einfach besser hier in dieser Gegend"), sondern die mit Flip-Chart-Unterstützung in improvisiertem Streit ausgetragene Schilderung des "berühmten Skandals auf der Strudlhofstiege": hier wird gar nicht versucht, Klarheit zu schaffen; doch genau das ist ja auch, was dieser Moment im Buch bedeutet: ein Gewirr von Bezügen und Lebenslinien, die sich verknoten und gegeneinander arbeiten. Diese emotionale Spannung so in diesen kleinen Raum der Schneiderei zu holen, ist ein beachtlicher Kunstgriff.
Im dritten Teil wurde dadurch auch thematisiert, wie schwierig es ist, den Figuren und der Handlung zu folgen (auch für die Schauspieler und die Regisseure selbst). Doch selbst diese offengestandene Ehrlichkeit dem Stoff gegenüber ist auch bei Doderer zu finden, wenn er bisweilen ein "man könnte sich daran erinnern, dass..." in seine Schilderungen einbaut und dem Leser durchaus zugesteht, kein absolutes Gedächtnis zu besitzen (und auch nicht besitzen zu müssen).
Somit brachte auch der dritte Abend wieder viele neue Blicke in den Roman, aber auch wiederum einige neue Lektionen über das, was Theater sein kann.
Ich begleite, gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Heimito von Doderer-Gesellschaft, dieses Projekt in Form von kurzen Eindruckswiedergaben, die im Doderer-Forum, und hier, nachzulesen sind.
Folge 3: Reifes Obst (Aufführung vom 18.1.2008)
Regie: Rudolf Frey
Seite 225-295
In der dritten Woche des zwölfstufig großromandurchmessenden Projektes wird die Schneiderei, in der die Inszenierungen Platz greifen, langsam zur dynamischen Wohngemeinschaft: nicht nur das Ensemble wird rasch wiedererkannt, auch das Publikum ist zum Teil aus bekannten Gesichtern zusammengesetzt, da die Serie mit gleichbleibenden Wochentagen verkauft wurde und sich das Publikum daher strukturiert einfindet.
Vor Beginn der Vorstellung hört man geflüstertes Geplauder der Gäste über den Inhalt und mögliche Kongruenzen der Protagonisten: "...ich habe ja gehört, dass der Major Melzer recht autobiographisch sein soll". Als Konsument des Doderer-ABCs wollte ich da einwerfen "der René Stangeler aber noch viel mehr", was zeigt, dass eine begleitende Ebene der Serie vielleicht guttun würde. Die Besucher der Stücke könnten sich eventuell nach den Aufführungen in einem Lokal zusammenfinden um über Lese- und Stückerfahrungen zu diskutieren. Zumindest wäre das anzuregen im Sinne einer Theaterförderung.
In der dritten Folge wurde das bereits gewohnte Konzept der anfänglichen Vorstellrunde mit augenzwinkernder Reaktion der Protagonisten charmant abgewickelt, bevor dann die "Garden-Party" bei den Schmellers rasant, fast stummfilmhaft, abgerollt wurde. Wohl aus Versehen bekam Asta Stangeler (Marion Reiser) das entzückende violette Einhörndl aus der ersten Folge beim Schmettern einer Türe aus der Höhe auf den Kopf, doch sie baute dieses Bühnenbildmalheur wirklich gut in die ohnehin sich in Bedrängnis befindliche Figur der Asta ein.
Wunderbar griff das "kleine Empfangszimmer" in der Akademie als Begrenzung einer der witzigsten Szenen des Abends ein, wo sich alle vier Schauspieler versammelten, um dann auf engstem Raume Zeuge des Telefonats Teddy Honneggers mit Semski zu werden.
Dramatischer Gipfelmoment des Abends war aber in meinen Augen nicht die Schlagobersschlacht in der Konditorei und das Vorübergleiten von Etelka im Fenster (großartig: Christian Dolezal, der den esoterisch durchschäumten Jungstudenten René Stangeler mit viel Bezug zur Gegenwart aufstellt: "ich bin einfach besser hier in dieser Gegend"), sondern die mit Flip-Chart-Unterstützung in improvisiertem Streit ausgetragene Schilderung des "berühmten Skandals auf der Strudlhofstiege": hier wird gar nicht versucht, Klarheit zu schaffen; doch genau das ist ja auch, was dieser Moment im Buch bedeutet: ein Gewirr von Bezügen und Lebenslinien, die sich verknoten und gegeneinander arbeiten. Diese emotionale Spannung so in diesen kleinen Raum der Schneiderei zu holen, ist ein beachtlicher Kunstgriff.
Im dritten Teil wurde dadurch auch thematisiert, wie schwierig es ist, den Figuren und der Handlung zu folgen (auch für die Schauspieler und die Regisseure selbst). Doch selbst diese offengestandene Ehrlichkeit dem Stoff gegenüber ist auch bei Doderer zu finden, wenn er bisweilen ein "man könnte sich daran erinnern, dass..." in seine Schilderungen einbaut und dem Leser durchaus zugesteht, kein absolutes Gedächtnis zu besitzen (und auch nicht besitzen zu müssen).
Somit brachte auch der dritte Abend wieder viele neue Blicke in den Roman, aber auch wiederum einige neue Lektionen über das, was Theater sein kann.
david ramirer - Freitag, 18. Januar 2008, 21:00