Freitag, 7. März 2008

10. Folge: Jetzt oder nie

im Schauspielhaus Wien wird derzeit in zwölf Folgen Die Strudlhofstiege von Heimito von Doderer als "Fortsetzungstheaterstück" aufgeführt: 12 Abende, 12 Regisseure, 4 Schauspielerinnen und Schauspieler, 900 Seiten Roman.
Ich begleite, gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Heimito von Doderer-Gesellschaft, dieses Projekt in Form von kurzen Eindruckswiedergaben, die im
Doderer-Forum, und hier, nachzulesen sind.

Folge 10: Jetzt oder nie (Aufführung vom 7.3.2008)
Regie: Dominique Schnizer
Seite 721-790

Es gab in den frühen neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine berühmt gewordene TV-Serie des amerikanischen Regisseurs David Lynch mit dem Namen "Twin Peaks", die sich unter anderem auch dadurch auszeichnete, dass eine kaum überschaubare Anzahl an Protagonisten sich in einem kaum zu durchschauenden Geflecht von Bezügen und miteinander sich verwebenden Schicksalsketten in einem kleinen Ort in den USA rund um einige mysteriöse Vorfälle begegnen. Da war unter anderem der FBI Special Agent Dale B. Cooper, der versuchte, den Mord an dem blonden High-School-Girl Laura Palmer aufzuklären, und dabei mit Mächten in Kontakt trat, die er am Ende zwar erkannte, aber nicht mehr vom Einfluss auf sich selbst abhalten konnte. Ja, und da gab es eben auch diese Laura Palmer, die in der ersten Folge, gleich zu Beginn tot aufgefunden wurde. Später in der 29 Folgen umfassenden Serie tauchte Maddie Ferguson auf, eine Cousine von der ermordeten Laura Palmer, die ihr (abgesehen von der Haarfarbe) wie ein Zwilling glich. Die Musik der Serie steuerte (wie in sehr vielen anderen David Lynch-Filmen) Angelo Badalamenti bei, und diese steht seither für "Mystery" schlechthin. Warum erzähle ich das?

Beim Eintreten wird mittels Beamer eine Dokumentation gezeigt, die mit amateurhafter Videokamera - Blair Witch Projekt-Zitat! - den Major Melzer (Johannes Zeiler) von einem Interviewer begleitet im neunten Bezirk herumstreifen lässt - selbstredend auch zur Stiege, die als Ort des Romans, wie eine Erinnerung dieser Figur beschrieben wird. Im Hintergrund läuft Musik von Twin Peaks, was der Dokumentation den Beigeschmack einer leicht mysteriös angehauchten TV-Sendung verleiht (deren es derzeit einige gibt - denn aus Twin Peaks hat sich ja eine ganze Palette von Nachfolgeserien herausgebildet).

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Ein paar Telefonate später befinden wir uns im Lichtenthal, bei der für Melzer und Thea so wichtigen Gartenparty bei den Schachls. Hier ereilen den Major einige handgreifliche Zitate aus dem hier auch namentlich wunderbar synchron (fast schon obszön) passenden Sparring-Partner Twin Peaks, wenn er sich dem in Zeitlupe im Wutausbruch ergehenden Rittmeister gegenübersieht und den gedoppelten Edithas, die sich von links und rechts in einer Vision vor seinem inneren Auge verwirrend darbieten. Auch Thea Rokitzer (Angela Ascher) schwebt natürlich zur Twin Peaks Titelmelodie vor den staunenden Augen des Majors durch den Garten, und holt Getränke...
Endlich wird auch dem Ur-Zihaloid in einer dem Theater wunderbar entsprechenden Art und Weise Raum gegeben: Christian Dolezal schlüpft in den zu diesem Zeitpunkt schon längst "Mensch gewordenen" Amtsrat und gibt gegenüber dem Major eine Demonstration, was Zihalismus ist (gepaart mit kleinbürgerlichem Gehabe), indem er ihn über die Rauchwaren ausfratschelt. Ein in Folge 5 angerissenes Thema wurde also nun endlich tatsächlich auf die Bühne geholt. Angesichts dieses lebendigen Zihalismus ernst zu bleiben, ist wohl hoffentlich auch für den zihalistischsten Heimitisten zuviel verlangt. Dolezal kassierte vorher auch für die wunderbare Skizze des Herrn Ing. Schachl seine verdienten Lacher.

Der arme Major Melzer wird ja zwei mal auf möglicherweise bei ihm anzutreffende Unpünktlichkeit angesprochen, was selbstverständlich zu entrüsteten Reaktionen führt. Da schmeckt dann die (tatsächlich nicht selbstgemachte!) Roulade nur mehr halb so gut, die ja auch ohne Thea gegessen werden muss (mit den Fingern), da diese ihr Entsetzen über den armen Bären nur durch Flucht verarbeiten konnte. Zeiler spielt die Entrüstung und den "Angriff auf seine Ehre" ganz großartig, aber auch Marion Reiser (als Editha, oder Mimi?) gibt die darauf auch kurzfristig eingeschnappte methodische Verführerin wunderbar.

Wie in früheren Folgen endet der 10. Abend mit einem Cliffhanger, nachdem René den Major Melzer vom Tode seiner Schwester Etelka unterrichtet hat, und Mary K. sich die Schuhe anzieht, um das Haus zu verlassen.
Vielleicht wird das Schildern der Ereignisse auch deshalb hier im Theater deswegen etwas leichter nachvollziehbar, weil sich der Stiegenroman ja auf den letzten paar hundert Seiten sehr "einbremst" und keine großen Zeitsprünge mehr unternimmt, wenn diese letzten Stunden des 21. Septembers 1925 erzählt werden. Vielleicht wird auch ganz am Ende noch erklärt, warum Mary K. sich den Tee hier in der Schneiderei mit ihren schönen Beinen erfolglos einschenkt: mir erscheint diese Erfindung nach wie vor als höchst mysteriös.

Mysteriös ist das Schicksal bisweilen aber auch bei Heimito von Doderer; und der Bezug zu David Lynch ist für diejenigen, die es erkannten, eine Art Bonuszuckerl des zehnten Abends gewesen (zu einigen wirklich vergnüglichen Szenen).

wieder mal geklont

sp_300
...diesesmal sieben stück auf der zu recht beliebten stiege im neunten bezirk.

Freitag, 29. Februar 2008

9. Folge: Rosenpopo

im Schauspielhaus Wien wird derzeit in zwölf Folgen Die Strudlhofstiege von Heimito von Doderer als "Fortsetzungstheaterstück" aufgeführt: 12 Abende, 12 Regisseure, 4 Schauspielerinnen und Schauspieler, 900 Seiten Roman.
Ich begleite, gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Heimito von Doderer-Gesellschaft, dieses Projekt in Form von kurzen Eindruckswiedergaben, die im
Doderer-Forum, und hier, nachzulesen sind.

Folge 9: Rosenpopo (Aufführung vom 29.2.2008)
Regie: Alice Buddeberg
Seite 655-721

Im sehr krassen Kontrast zu den in den vergangenen Wochen zur Schau gestellten Inszenierungen nimmt Alice Buddeberg sich dem Dodererschen Figurenarsenal auf liebevoll-zärtliche Art und Weise an. Es ist daher in meinen Augen auch kein Zufall, dass die Figur der Thea Rokitzer in dieser Folge als kindlich gestaltete lebensgroße Papiermachépuppe auftritt und auf dem Schoß von Angela Ascher ihre innere Leere ergreifend offenbart. Der dadurch umgesetzte Umgang mit der Figur der Thea hat etwas fürsorgliches, und in ähnlicher Weise wird mit den Figuren, die von Menschen verkörpert werden, auch umgegangen.
Dieser liebevolle Umgang mit seinen Figuren eignet auch Herrn Doderer... was bisher noch kein einziges Mal spürbar gemacht wurde. Dafür alleine schon sei Frau Buddeberg Dank gesagt.

"Mit dem Krieg hat das alles nichts zu tun" fungiert als ausgesprochene Chiffre für die Szenenwechsel, in welchen die Figuren, die diesesmal durch starke weiße Gesichtsschminke Erinnerungen an die Commedia dell'arte, (aber auch an das Marionettentheater) aufkommen lassen, sich schlacksig und puppenhaft zu ihren neuen Plätzen begeben. Dort schlüpfen sie aber auf bewundernswerte Art und Weise in ihre Rollen und verkörpern die Schlüsselszenen der diesesmal aus dem Roman entnommenen Seiten.

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Dazu gehört unter anderem die oben schon erwähnte Visualisierung der Rokitzerischen inneren Leere, und es hebt sich von den anderen Inszenierungen stark ab, dass zu diesem Behufe fast nur unveränderte Zitate aus dem Roman verwendet worden sind.
Einmal nur schiebt sich ein anderer wesentlicher österreichischer Autor ein: Ernst Jandl und sein "schtzngrmm" wird vom Major Melzer (Johannes Zeiler), der ja doch auch seine Kriegserinnerungen mit sich herumträgt, intoniert... dem eklatant widersprechend, dass das alles "mit dem Krieg nichts zu tun hat".

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Meisterhaft umgesetzt wurde die Gesprächssituation zwischen Melzer und Stangeler, die den Weg zum Bärenfell in schweigendem, sich gegenseitig zaghaft abtastendem Mimen- und Körpersprachenspiel "abfeiern". Da sitzt jede Drehung der Körper zueinander, jedes Warten, Zögern... das Schweigen ist beredter als viele Worte das vermögen könnten. Erinnerungen an Folge 7, wo ein Gespräch zwischen den beiden Männern so lieblos abgenudelt wurde, verpuffen angesichts dieses intimen Dialoges. Stangeler spielt verträumt am Lichtschalter, Melzer sucht währenddessen nach Worten, und das Gespräch baut sich auf ganz wenigen, klaren Begriffen und Sätzen aufruhend auf. Zeit wird hier lebendigst genutzt, und der Betrachter tritt in den Rythmus dieses Gespräches ein wie in einen eigenen Raum.

Wie ein Fenster erschien mir diese neunte Folge - ein Fenster in eine andere Form des Theaters (im Vergleich zu den anderen acht Episoden), und wie Fenster öffneten sich auch die einzelnen Episoden, jede einzelne hatte die Energie, sich jeweils links und rechts der Zeitachse weiter auszudehnen, was zu einer szenischen Collage führte, die sich statisch - und doch auch sehr dynamisch - zusammensetzte: eine Kombination der Zustände, die nur mittels Magie hergestellt werden kann.
Staunend wurde Theater lebendig und wie in noch keiner Episode bisher nachdrücklich demonstriert, dass Doderers Sprache sehr wohl theatertauglich ist... und mehr als das: dem Theater viel zu geben hat...

(...) Er schwieg. Das beruhigte Melzern in einer seltsamen Weise: daß nämlich jenem die Sprache nicht durchging. Daß er absetzte. Langsam redete, immer noch knapp, immer noch die Worte wägend. Es gab Vertrauen, so etwa fühlt' es der Major; und nicht eigentlich in das Gesagte, wohl aber in die Gültigkeit dieser Situation. (...) (Seite 686)

...auch wenn das vielleicht im Grunde alles nur Gemeinheiten sind.

Montag, 25. Februar 2008

grau = blau

grey=blue_b

so ganz nebenher habe ich eben eine grafik hergestellt, die (ohne das ursprünglich beabsichtigt zu haben) den beweis dafür erbringt,
dass "grau" eine blaue farbe ist.
soviel zu gerhard richter, der ja so ein begeisterter anhänger der farbe grau ist... eigentlich ist er also in blau vernarrt.
es sei ihm vergönnt... er ist damit ja nicht alleine in der kunstgeschichte.

:-)

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