der ausdruck "Zihalismus" wird sich wahrscheinlich nur in diesem lexikon finden (dort aber mit sicherheit).
aus der amazon beschreibung: Der «Zihalismus» ist das «Aufbauen einer in sich schlüssigen Welt ohne wechselhaften Bezug zur Umwelt», der «Primat des Dekors» über den Gehalt. In diesem Sinne ist Doderer selbst stets Zihalist geblieben.
das wort beruht auf einer figur, die in mehreren romanen von heimito von doderer vorkommt: der amtsrat Julius Zihal, der im roman "die erleuchteten fenster" seine menschwerdung erlebt und späterhin im roman "die strudelhofstiege" eine haupt-nebenrolle einnimmt. er selbst kommt zwar nur beiläufiger vor (seine frau rosl ist die tante einer zentraleren figur, der theo rokitzer nämlich), aber sein "zihalismus" filtriert fast das gesamte werk. "Zihalismus" steht für eine geläutert-beamtete sicht auf die welt, und der ausspruch "im grunde sind das lauter gemeinheiten" firmiert als kennsatz für den zihalismus, da zihal das in dem roman einmal sagt (treffenderweise), doderer greift diesen ausspruch dann immer wieder an schlüsselstellen auf.
die wortspielerei geht bis hin zu "Zihaloid" und anderen abwandlungen, da meherer figuren als "Zihaloide" auftreten dürfen, als emanationen das zihalschen typus.
danke für deine ausführliche erklärung zum zihalismus.
darf ich dazu noch fragen stellen? es heißt da "aufbauen einer in sich schlüssigen welt ohne wechselhaften bezug zur umwelt". wie könnte ich mir das vorstellen? für mich ist das aufbauen einer in sich schlüssigen welt nicht denkbar ohne umwelt. der mensch lebt ja nicht ohne welt, auch wenn er zu der ihm umgebende welt wenig bezug herstellt oder gänzlich verweigert. wenn ich lese, ohne wechselhalften bezug zur umwelt, so verstehe ich diesen nichtbezug zugleich als form (als ausdruck) eines bezugs zur welt. vergleichbar mit dem zitat "man kann nicht nichtkommunzieren".
auch auf die gefahr hin, mich als schwer von begriff zu outen, will ich in eigene worte fassen, was ich verstanden habe. zihal ist eine romanfigur in doderers werken, die sich in einer weise verhält, die doderer als zihlaismus bezeichnet. es könnte also sein, dass diese in doderers werken geläutert-beamtete sichtweise des amtsrat zihal, in anderen sprachgebieten anders bezeichnet wird? der begriff zihalismus ist im zusammenhang mit doderers werken entstanden?
was meint zihal, wenn es heißt "im grunde sind das lauter gemeinheiten"?
gemein kommt von gemeinschaft, von gemeinsamkeit?
aber vermutlich bezieht sich doderer mit gemeinheit auf die seit dem 17. jht bestehende bedeutung im sinne von "niederträchtigkeit".
im lexikon steht zum begriff gemein: da das, was vielen gemeinsam ist, nicht wertvoll sein kann, erhielt das wort den abwertenden nebensinn unheilig, alltäglich, gewöhnlich, roh, niederträchtig.
soweit ich mich erinnere, entstammt "gemein" der idg. sprachwurzel "tauschen, wechseln".
daraus folgere ich, der zihalistische ausspruch ""im grunde sind das lauter gemeinheiten" drückt das zihalistische verhalten " ... ohne wechselhaften bezug zur umwelt" und zugleich den ursprünglichen sinn (des begriffs gemein) wechsel aus. - interessant.
der begriff zihalismus ist tatsächlich eine doderer-erfindung.
die bezeichnung "aufbauen einer in sich schlüssigen welt ohne wechselhaften bezug zur umwelt" kann überall dort angetroffen werden, wo beamtenapparate (wie ja sehr häufig in österreich) um sich greifend versuchen, die phänomene der welt in reglements, register, hierarchien, akten, systeme und priorisationen abzulegen und damit einzugrenzen und einzupressen, koste es was es wolle, oft zuerst den verstand. die dortorts gepflogene sprache alleine schon ist eine in sich zwar schlüssige, aber mit der emotional erfahrbaren umwelt in keiner weise mehr verschmolzene art, die welt abzubilden. derartiger unfug greift oft auch auf die damit tätigen menschen über, "zihalisiert" diese gewissermassen und entlässt sie dann auch in die zeit nach der amtszeit als der welt entrückte individuen, die erst wieder mühsamst (und oft schmerzend) geerdet werden müssen. das ist die geschichte des amtsrates zihal.
zihal meint die gemeinheiten im niederen sinne, aber wenn doderer in seinem roman das wort mittels der figur zihal verwendet, dann sind alle wortabwandlungen von relevanz, also auch die tausch- und wechselform. "gemein" steht auch für "normal": zum beispiel in der biologie: da gibt es den "gemeinen" mistkäfer und den "gemeinen" specht, was dort für eine art urform steht.
im kontext des buches taucht der satz oft als wink auf, als ein sensibler hinweis auf das, was zihal (oder jemand wie zihal (der ja auch doderer-ähnlich ist)) dazu sagen würde.
das schöne an doderer ist, dass er alle seine figuren in sich trägt, und gerade die ganz skurillen figuren, die sind ihm am nächsten. der amtsrat zihal lebt in einer hermetischen welt - die sprache und die sicht auf die welt, die doderer in den romanen vermittelt ist zwar zugänglich und welt-zugewandt, aber doch auch nur durch viele türen (oft gleichzeitig), was nicht unbedingt einfach ist, aber lohnenswert.
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Lieber für etwas gehasst werden, das man ist, als für etwas geliebt werden, das man nicht ist. André Gide
ich werde mir das lexikon holen und gucken, was zihalismus bedeutet.
aus der amazon beschreibung:
Der «Zihalismus» ist das «Aufbauen einer in sich schlüssigen Welt ohne wechselhaften Bezug zur Umwelt», der «Primat des Dekors» über den Gehalt. In diesem Sinne ist Doderer selbst stets Zihalist geblieben.
das wort beruht auf einer figur, die in mehreren romanen von heimito von doderer vorkommt: der amtsrat Julius Zihal, der im roman "die erleuchteten fenster" seine menschwerdung erlebt und späterhin im roman "die strudelhofstiege" eine haupt-nebenrolle einnimmt. er selbst kommt zwar nur beiläufiger vor (seine frau rosl ist die tante einer zentraleren figur, der theo rokitzer nämlich), aber sein "zihalismus" filtriert fast das gesamte werk. "Zihalismus" steht für eine geläutert-beamtete sicht auf die welt, und der ausspruch "im grunde sind das lauter gemeinheiten" firmiert als kennsatz für den zihalismus, da zihal das in dem roman einmal sagt (treffenderweise), doderer greift diesen ausspruch dann immer wieder an schlüsselstellen auf.
die wortspielerei geht bis hin zu "Zihaloid" und anderen abwandlungen, da meherer figuren als "Zihaloide" auftreten dürfen, als emanationen das zihalschen typus.
darf ich dazu noch fragen stellen? es heißt da "aufbauen einer in sich schlüssigen welt ohne wechselhaften bezug zur umwelt". wie könnte ich mir das vorstellen? für mich ist das aufbauen einer in sich schlüssigen welt nicht denkbar ohne umwelt. der mensch lebt ja nicht ohne welt, auch wenn er zu der ihm umgebende welt wenig bezug herstellt oder gänzlich verweigert. wenn ich lese, ohne wechselhalften bezug zur umwelt, so verstehe ich diesen nichtbezug zugleich als form (als ausdruck) eines bezugs zur welt. vergleichbar mit dem zitat "man kann nicht nichtkommunzieren".
auch auf die gefahr hin, mich als schwer von begriff zu outen, will ich in eigene worte fassen, was ich verstanden habe. zihal ist eine romanfigur in doderers werken, die sich in einer weise verhält, die doderer als zihlaismus bezeichnet. es könnte also sein, dass diese in doderers werken geläutert-beamtete sichtweise des amtsrat zihal, in anderen sprachgebieten anders bezeichnet wird? der begriff zihalismus ist im zusammenhang mit doderers werken entstanden?
was meint zihal, wenn es heißt "im grunde sind das lauter gemeinheiten"?
gemein kommt von gemeinschaft, von gemeinsamkeit?
aber vermutlich bezieht sich doderer mit gemeinheit auf die seit dem 17. jht bestehende bedeutung im sinne von "niederträchtigkeit".
im lexikon steht zum begriff gemein: da das, was vielen gemeinsam ist, nicht wertvoll sein kann, erhielt das wort den abwertenden nebensinn unheilig, alltäglich, gewöhnlich, roh, niederträchtig.
soweit ich mich erinnere, entstammt "gemein" der idg. sprachwurzel "tauschen, wechseln".
daraus folgere ich, der zihalistische ausspruch ""im grunde sind das lauter gemeinheiten" drückt das zihalistische verhalten " ... ohne wechselhaften bezug zur umwelt" und zugleich den ursprünglichen sinn (des begriffs gemein) wechsel aus. - interessant.
die bezeichnung "aufbauen einer in sich schlüssigen welt ohne wechselhaften bezug zur umwelt" kann überall dort angetroffen werden, wo beamtenapparate (wie ja sehr häufig in österreich) um sich greifend versuchen, die phänomene der welt in reglements, register, hierarchien, akten, systeme und priorisationen abzulegen und damit einzugrenzen und einzupressen, koste es was es wolle, oft zuerst den verstand. die dortorts gepflogene sprache alleine schon ist eine in sich zwar schlüssige, aber mit der emotional erfahrbaren umwelt in keiner weise mehr verschmolzene art, die welt abzubilden. derartiger unfug greift oft auch auf die damit tätigen menschen über, "zihalisiert" diese gewissermassen und entlässt sie dann auch in die zeit nach der amtszeit als der welt entrückte individuen, die erst wieder mühsamst (und oft schmerzend) geerdet werden müssen. das ist die geschichte des amtsrates zihal.
zihal meint die gemeinheiten im niederen sinne, aber wenn doderer in seinem roman das wort mittels der figur zihal verwendet, dann sind alle wortabwandlungen von relevanz, also auch die tausch- und wechselform. "gemein" steht auch für "normal": zum beispiel in der biologie: da gibt es den "gemeinen" mistkäfer und den "gemeinen" specht, was dort für eine art urform steht.
im kontext des buches taucht der satz oft als wink auf, als ein sensibler hinweis auf das, was zihal (oder jemand wie zihal (der ja auch doderer-ähnlich ist)) dazu sagen würde.
das schöne an doderer ist, dass er alle seine figuren in sich trägt, und gerade die ganz skurillen figuren, die sind ihm am nächsten. der amtsrat zihal lebt in einer hermetischen welt - die sprache und die sicht auf die welt, die doderer in den romanen vermittelt ist zwar zugänglich und welt-zugewandt, aber doch auch nur durch viele türen (oft gleichzeitig), was nicht unbedingt einfach ist, aber lohnenswert.