5. Folge: Liebe ist die schwankende Deklination vom anderen Pole
im Schauspielhaus Wien wird derzeit in zwölf Folgen Die Strudlhofstiege von Heimito von Doderer als "Fortsetzungstheaterstück" aufgeführt: 12 Abende, 12 Regisseure, 4 Schauspielerinnen und Schauspieler, 900 Seiten Roman.
Ich begleite, gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Heimito von Doderer-Gesellschaft, dieses Projekt in Form von kurzen Eindruckswiedergaben, die im Doderer-Forum, und hier, nachzulesen sind.
Folge 5: Liebe ist die schwankende Deklination vom anderen Pole (Aufführung vom 1.2.2008)
Regie: Lukas Bangerter
Seite 356-424
Erstaunlich nüchtern lag das Bühnenbild in dieser fünften Folge da: vier Lesepulte und dahinter der freie Blick durch das Fenster auf das Postamt auf der anderen Straßenseite.
Eine ärmlich anmutende Musik begleitete die ersten Minuten beim Betreten der Schneiderei und verstärkte den Eindruck der Armseligkeit.

Die Vorstellrunde uferte in den ersten humoristischen Akt aus, als mehrere doppelte Rollen und auch konfuse Wiederholungen erneut klar machten, dass das Romankonzept Heimito von Doderers (der erneut mit ins Personalrepertoire genommen wurde) nicht an Figuren spart und bei vier Schauspielern da manches durcheinandergeraten kann. Die entgleitende Logik des Beginns fasste sich dann wieder und ironisierte die germanistisch wissenschaftliche Durchleuchtung des Romans mit nüchternen statistischen Daten zum diesmal dargebotenen Romanabschnitt, bevor Heimito von Doderer (Johannes Zeiler) den Faden erhob und Thea Rokitzer mit Paula Schachl an den Tisch setzte und das Gespräch der Freundinnen kommentierte.
Das Einbeziehen des Außenraums - der gegenüberliegenden Straßenseite und dem Balkon über dem Postamt - hatte etwas magisches.
Neben dem thematischen Aufgreifen des Post- und Briefthemas waren zwei bemerkenswerte Wutausbrüche Kern des Abends: Der im Cafehaus in eine Schallplattenschleife einmündende Vorwurfsanfall von Editha (Marion Reiser) in Richtung auf Thea (Angela Ascher) setzte Thea gewissermaßen in die Vorbereitung für den zweiten Anfall... wunderbar steigerte sich der Zerrütt- bzw. Rittmeister von Eulenfeld (Christian Dolezal) in einen sitzenden Ausbruch mit herumfuchtelnder Zeitung hinein, der zwar die Intensität der Stelle im Buch extrem übersteigerte, aber zum Wert von Wutausbrüchen im Werke Doderers eine Brücke erhob: ein Wutanfall Childerichs von Bartenbruch (Die Merowinger) kann kaum überzeugender ausfallen.
Enttäuscht und vermeintlich resigniert, mit sympatischer menschlicher Note wusste Johannes Zeiler (als er selbst) nach einem Drittel des Abends nicht mehr weiter und alle Schauspieler gemeinsam versuchten einen esoterischen Kontakt zum vermeintlich unweit des Schauspielhauses residierenden "Genius Loci" - Doderer selbst - mittels eines Radios aufzubauen. Doderer "sei ja hier", räumlich nahe, auch wenn die Zeitachse vorangeschritten sei, also wird dieses Mittel fruchten. Tat es natürlich nicht.
Derartige humoristische Einfälle treiben das Werk nicht wirklich voran, aber die sehr eindringlich gespielten Passagen dazwischen weben das Werk weiter. Es kommen die Rauchwaren langsam ins Spiel, die wichtigen Stellen werden eindringlichst vorgestellt und erklärt, und ich zweifle nicht daran, dass ein Besucher aller zwölf Folgen einen Eindruck der "Geschichte" im Roman haben wird.
Die Ausführungen zum Wesen des Zihalismus konnten am Orte der Schneiderei unweit dem Schauspielhause nicht im ganz von mir erwünschten Umfange eingeholt werden, auch wenn die schauspielerischen Hilfsmittel wiederholt in seminaristischer Weise sich in zum Teile nahezu pornografischem (Christian Dolezal) Filzstiftgekritzel über die Tapeten ergossen. Dadurch gelangt zur Evidenz, dass die rein verbaloiden Eindrücke des vorgetragenen Textes sich nicht restlos in die mit der Ratio erfahrbaren Regionen vorwagten, jedoch auf emotionaler Ebene das Wesensinnewohnende (im Sinne des "Dekors" über dem "Inhalt") durchaus aufnehmbar notiert werden konnte.
Ein neuerlicher Besuch der in Entwicklung befindlichen Serie wird hieramts daher auf das nachdrücklichste anempfohlen und somit prioriert.
Ich begleite, gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Heimito von Doderer-Gesellschaft, dieses Projekt in Form von kurzen Eindruckswiedergaben, die im Doderer-Forum, und hier, nachzulesen sind.
Folge 5: Liebe ist die schwankende Deklination vom anderen Pole (Aufführung vom 1.2.2008)
Regie: Lukas Bangerter
Seite 356-424
Erstaunlich nüchtern lag das Bühnenbild in dieser fünften Folge da: vier Lesepulte und dahinter der freie Blick durch das Fenster auf das Postamt auf der anderen Straßenseite.
Eine ärmlich anmutende Musik begleitete die ersten Minuten beim Betreten der Schneiderei und verstärkte den Eindruck der Armseligkeit.

Die Vorstellrunde uferte in den ersten humoristischen Akt aus, als mehrere doppelte Rollen und auch konfuse Wiederholungen erneut klar machten, dass das Romankonzept Heimito von Doderers (der erneut mit ins Personalrepertoire genommen wurde) nicht an Figuren spart und bei vier Schauspielern da manches durcheinandergeraten kann. Die entgleitende Logik des Beginns fasste sich dann wieder und ironisierte die germanistisch wissenschaftliche Durchleuchtung des Romans mit nüchternen statistischen Daten zum diesmal dargebotenen Romanabschnitt, bevor Heimito von Doderer (Johannes Zeiler) den Faden erhob und Thea Rokitzer mit Paula Schachl an den Tisch setzte und das Gespräch der Freundinnen kommentierte.
Das Einbeziehen des Außenraums - der gegenüberliegenden Straßenseite und dem Balkon über dem Postamt - hatte etwas magisches.
Neben dem thematischen Aufgreifen des Post- und Briefthemas waren zwei bemerkenswerte Wutausbrüche Kern des Abends: Der im Cafehaus in eine Schallplattenschleife einmündende Vorwurfsanfall von Editha (Marion Reiser) in Richtung auf Thea (Angela Ascher) setzte Thea gewissermaßen in die Vorbereitung für den zweiten Anfall... wunderbar steigerte sich der Zerrütt- bzw. Rittmeister von Eulenfeld (Christian Dolezal) in einen sitzenden Ausbruch mit herumfuchtelnder Zeitung hinein, der zwar die Intensität der Stelle im Buch extrem übersteigerte, aber zum Wert von Wutausbrüchen im Werke Doderers eine Brücke erhob: ein Wutanfall Childerichs von Bartenbruch (Die Merowinger) kann kaum überzeugender ausfallen.
Enttäuscht und vermeintlich resigniert, mit sympatischer menschlicher Note wusste Johannes Zeiler (als er selbst) nach einem Drittel des Abends nicht mehr weiter und alle Schauspieler gemeinsam versuchten einen esoterischen Kontakt zum vermeintlich unweit des Schauspielhauses residierenden "Genius Loci" - Doderer selbst - mittels eines Radios aufzubauen. Doderer "sei ja hier", räumlich nahe, auch wenn die Zeitachse vorangeschritten sei, also wird dieses Mittel fruchten. Tat es natürlich nicht.
Derartige humoristische Einfälle treiben das Werk nicht wirklich voran, aber die sehr eindringlich gespielten Passagen dazwischen weben das Werk weiter. Es kommen die Rauchwaren langsam ins Spiel, die wichtigen Stellen werden eindringlichst vorgestellt und erklärt, und ich zweifle nicht daran, dass ein Besucher aller zwölf Folgen einen Eindruck der "Geschichte" im Roman haben wird.
Die Ausführungen zum Wesen des Zihalismus konnten am Orte der Schneiderei unweit dem Schauspielhause nicht im ganz von mir erwünschten Umfange eingeholt werden, auch wenn die schauspielerischen Hilfsmittel wiederholt in seminaristischer Weise sich in zum Teile nahezu pornografischem (Christian Dolezal) Filzstiftgekritzel über die Tapeten ergossen. Dadurch gelangt zur Evidenz, dass die rein verbaloiden Eindrücke des vorgetragenen Textes sich nicht restlos in die mit der Ratio erfahrbaren Regionen vorwagten, jedoch auf emotionaler Ebene das Wesensinnewohnende (im Sinne des "Dekors" über dem "Inhalt") durchaus aufnehmbar notiert werden konnte.
Ein neuerlicher Besuch der in Entwicklung befindlichen Serie wird hieramts daher auf das nachdrücklichste anempfohlen und somit prioriert.
david ramirer - Freitag, 1. Februar 2008, 21:00
Duden
Also in meinem Duden steht steht Armselig nur mit einem E. Vielleicht ist das die Rechtschreibreform?
Jedenfalls kams früher von "selig" was nicht unbedint mit der Seele zu tun hat.
Ich stolper auch immer über "numerisch", das man im Gegensatz zur Nummer nur mit einem M schreibt.
Schwamm drüber.
LG v.d. Tant
wurde korrigiert :-)