...manches wird tiefer. weniges zwar, aber das gibt es wirklich.
und das ist dann auch sehr schön; finde ich.
(ganz konkret meine praktische beschäftigung mit der musik von johann sebastian bach,
die nach gut 25 jahren "reifungspause" eine prägnanz und qualität erreicht hat, die ich damals nie für möglich gehalten hätte)
klar. vieles braucht zeit, um zu reifen, zur entfaltung zu kommen und in die tiefe zu gehen. wir müssen uns diese zeit geben, wenn uns etwas am herzen liegt. privat ist das unsere sache. leider sind wir außerdem in eine welt und deren zeitgefüge, zeitdenken und tempo eingebunden.
die trennung der welt in eine äußere und innere ist ein konzept, das ich auch lange verfolgt habe.
ich mach das nicht mehr... und siehe da, es tut mir sehr gut, weil ich tatsächlich alles nach innen hole; auch das, was ich (n0ch) nicht erkannt habe.
schön daran ist, dass wirklich ich entscheide, was wichtig in meiner welt ist und was nicht (selbst, wenn das ich (nach den konzepten mancher kognitionswissenschaftler) ein fragwürdiges ist - ich bin nicht gezwungen, gerade dieses konzept in mein zentrum zu holen und wichtig zu nehmen). ich lass mich von den fröhlichen wissenschaften nicht in meinen geistigen bewegungsoptionen kastrieren.
ich binde mich selbst in eine welt ein, die ich erkenne.
mitsamt all den seltsamen dingen, die ich (noch) nicht verstehe... großartig daran finde ich, dass ich mich auch dafür entscheiden kann, auf bestimmte aspekte dieser welt gepflegt zu scheißen, denn ich alleine verantworte ja dann, was mir entgeht bzw. die folgen davon.
die philosophen, die ja für alles einen namen haben, nennen das solipsistisch... mir soll das recht (bzw. herzlich egal) sein ;)
aus der sicht des solipsisten (denn der plural kann da ja gar nicht angewendet werden, genau genommen) ist selbstverständlich jeder andere solipsist gerade dadurch "echt", dass er in seinem geiste existiert... dinge, die nicht in seinem geiste existieren sind "unecht" oder besser gesagt "inexistent". auch andere menschen sind ja "da" und werden gerade dadurch nicht verleugnet, indem sie im solipsistischen weltbild erscheinen.
aus der sicht von jemandem, der kein solipsist ist (also in einem anderen weltmodell) sind alle solipsisten einfach nur spinner, die die "welt" nicht als sammlung von unabhängigen entitäten begreifen sondern sich alles in ihren geist holen und alles durch ihren geist auf basis ihrer eigenen erlebnisse bewerten und einordnen... die frage nach unecht oder echt stellt sich von außen daher nicht, denke ich ;)
das schöne & interessante an dem gedankenmodell ist, dass es nicht einmal das grab (oder den zugehörigen friedhof) nach meinem tod geben wird... (sofern der tod überhaupt jemals eintreten kann: denn wenn meine ganze welt nur in mir ist, dann ist sowohl der anfang (an den ich mich nicht erinnern kann) als auch das ende nur unerfahrbare grenzen. der tod verliert im solipsismus seinen schrecken vollkommen, zumindest für mich; denn der tod oder der unwiderrufliche abschied von anteilen meiner selbst ist unbestreitbar (milka, meine großeltern, so manche beziehung...) - aber mein eigener tod ist eine nicht schlüssige folgerung innerhalb dieses konzepts, an die ich zwar durchaus glaube (und auf die ich auch hoffe!): aber erfahren werde ich das nicht).
Und du glaubst ernsthaft daran? Oder ist es nur Gedankenspielerei?
Ich glaube irgendwie an nichts, und ich glaube, das ist das Beste. So bleiben mir alle Möglichkeiten offen.
ich hab in meinem ganzen leben noch nie etwas geglaubt, das ich nicht auch erfahren hätte... und dass mein momentanes gedankenmodell dem solipsismus ähnlich ist, erfuhr ich erst nachdem ich die idee entwickelt hatte.
momentan glaube ich das alles nicht, ich erlebe es.
morgen ist alles vielleicht wieder anders, alle optionen sind offen; auch bei mir ;)
könnte mir vorstellen, dass ein gläubiger christ auch sagt: "ich erlebe gott." ich habe zwar allen respekt vor solchen aussagen, kann sie allerdings nicht nachvollziehen.
eigentlich arbeiten eine menge gescheiter leute seit einigen jahrhunderten an der dezentralisierung des menschseins - wir sind eben nicht der mittelpunkt von allem, und ein einziger schon gar nicht. dummerweise flunkert das bewusstsein dem menschen zu gern vor, dass er im mittelpunkt des universums steht. auch ich fragte mich schon oft: was bleibt von der welt ohne meine wahrnehmung? ist vielleicht alles ein inszeniertes theater für mich? alles dreht sich im wahrsten sinne des wortes um mich ... gibt es die welt nur in mir? spielt sich alles nur in meinem kopf ab?
wie gesagt, als gedankenspiel finde ich solche ausflüge in den sogenannten solipismus ganz nett, aber ich könnte diese idee nicht derart verinnerlichen, wie du es offensichtlich zur zeit tust.
welche idee ich mir verinnerliche, die es in meinem leben schafft, entscheidend zu werden, hängt natürlich an lebensumständen, die das begünstigen.
du erwähnst die durchaus respektablen ergebnisse abertausender gescheiter leute, die in den letzten jahrhunderten daran arbeiten, den menschen aus dem mittelpunkt zu rücken - und ich kenne einige dieser gedankengänge sehr gut... die durchaus nachvollziehbare entwicklung vom egozentrischen weltbild zum geozentrischen weltbild (das zunächst davon ausging, dass wir auf einer scheibe lebten, bis es eine kugel wurde), das dann endlich erkannte, dass sich nicht die sonne und alle sterne um die erde drehen, sondern umgekehrt, und dass auch die sonne sich in größerem maßstab um das zentrum der milchstraße dreht und dass auch die milchstraße nur eine kleine, durchschnittliche galaxie von milliarden anderen galaxien ist in einem universum das so groß und komplex ist, dass wir niemals die chance haben werden, einen nennenswerten teil davon zu sehen... geschweige denn auch nur ansatzweise zu verstehen... dass das natürlich auch hier schon auf unserem heimatplaneten im kleinen maßstab eine große rolle spielt, ist natürlich auch klar: denn wir menschen sind nur eine einzige von millionen an anderen arten und spezies in dieser biosphäre, und wir können selbst hier nur mit unseresgleichen reden (also mit unserer erfindung der sprache); mit tieren können wir zwar kommunizieren, geben da aber nicht die syntax vor. vielleicht bei einer handvoll... aber wer versucht es denn bei ameisen, oder fischen, oder fruchtfliegen? oder bakterien?
sicher stehen hinter all diesen dingen noch viel komplexere gedankengebäude, aber darum geht es jetzt nicht: ich wollte nur andeuten, dass diese ideen mir durchaus geläufig sind.
das ist die seite der wissenschaft, und da zähle ich auch die philosophie(n) dazu, die niemals müde werden, mit tausenden und abertausenden von seiten, büchern und wortkaskaden alles zu erklären, was man so erklärt haben möchte.
mir ging es dabei immer ganz ähnlich wie dir: das alles klingt ja recht schön und gut, aber was bedeutet es im endeffekt für mich? die wahrheiten, die sich im laufe der jahrtausende so oft geändert haben, die sich verwandelten und verformten (wobei ich jetzt nicht (nur) die nachvollziehbare entwicklung vom geozentrischen zum ?-zentrischen weltbild meine), sondern die vielen anderen philosophischen schulen, ansätze, widersprüche und weltmodelle, die auf den verschiedenen soziologischen, psychologischen, kulturellen... etc. ebenen beruhen und sich gegenseitig befruchten und bekämpfen. manches davon ist interessant, anderes völlig idiotisch, einiges faszinierend, anderes einfach überholt.
wenn du sagst, dass du an nichts glaubst und dadurch alle möglichkeiten offenbleiben, so ist auch das eine möglichkeit, mit dem angebot umzugehen.
diese sicht ist meiner gar nicht so fern, die meiste zeit verhalte ich mich recht ähnlich.
manchmal aber - in schwachen momenten - entwickle ich strategien (die dann oft ihre vorläufer in der langen menschheitsgeschichte haben), um in all dem CHAOS überleben zu können. mein momentanes weltbild hat sich aus meinen lebensumständen ganz einfach herausgeklappt. das war keine entscheidung in der art von "ab heute bin ich solipsist, weil das so cool und hip ist"... und eigentlich bin ich auch gar kein solipsist, vielmehr sind die solipsisten ähnlich wie ich, auch wenn die idee älter ist als ich, das spielt keine nennenswerte rolle für mich.
denn die idee kam zu mir, nicht ich zu ihr.
mir ist vollkommen bewusst, dass viele dieser sätze auch von gläubigen menschen kommen könnten, mit anderem zentrum, mit anderer färbung; da ist dann "gott" das zentrum (im grunde nur eine spiegelung des eigenen zentrums nach außen) und diese gläubigen finden dann alle antworten in einem alten buch, finden einander in kirchen, usw.
was ich mit gläubigen menschen durchaus gemeinsam habe, ist die überzeugung, die ich manchmal von bestimmten ideen habe; aber ich verwende ideen immer nur als "werkzeug", die als leitideen für mein leben (eine zeit lang) funktionieren, bevor sie wieder zerfallen und ihren zweck erfüllt haben.
ob das gut funktioniert, weiß ich nicht; aber suche ich mir das aus? die kognitionswissenschafter sagen, dass all das nur geflunker im gehirn ist. aber ist deren beobachten und erkennen nicht auch nur ein geflunker in deren hirnen? trifft das dann nicht folgerichtig auf alles andere auch zu?
ist nicht die ganze menschheit nur eine sammlung von herumflunkernden eiweißakkumulationen, die sich etwas einbilden?
mir jedenfalls lieferte die wissenschaft keine für mich brauchbaren antworten - das hab ich nun (mit ablaufdatum unbekannt) selbst getan, und mache das auch weiterhin.
ich kann nicht anders.
erstmal vielen dank für deinen kommentar. ich kenne nicht viele menschen (eigentlich keine in meinem umfeld), die sich derart intensiv mit dem sinn des lebens (des daseins, der welt) auseinandersetzen. dabei ist das die wesentliche frage, die mich, seit ich denken kann, umtreibt. und aus dieser fragestellung heraus blicke ich auf meine umwelt, auf meine mitmenschen: warum sind sie so, wie sie sind? warum gibt es kirchen, warum kapitalisten? warum gibt es krieg und gewalt? warum liegt den menschen so viel an macht?
noch grundlegender: wieso ist die welt, wie sie ist - mit ihren erscheinungen, den naturgesetzen, raum und zeit? warum ist alles genau so und nicht anders?
was im bezug auf mich selbst heißt: warum gibt es mich? wer bin ich? was mache ich hier?
den meisten menschen erscheint wohl selbstverständlich, dass sie leben, denken und fühlen. jedenfalls machen sie auf mich diesen eindruck. alles sieht nach einer art monopoly aus, welches wir alle nach gewissen regeln spielen, wobei ich mich wundere, dass so gut wie niemand das spiel selbst hinterfragt. ja, wenn ich`s recht bedenke, wundert mich das am meisten: warum gibt es so wenige menschen, die all dies hinterfragen? eine verschwörungstheorie wäre, dass die welt voller zombies ist, die als ferngesteuerte bio-roboter agieren. selbst die gefühle sind dabei nur mache.
mir erscheint die welt oft als riesengroßes schauspiel mit mir als einzigem zuschauer. was will mir die welt (bzw. dieses schauspiel) sagen? dabei bin ich selbst involviert, denn ich bin nicht nur passiver zuschauer, sondern auch akteur in dem schauspiel. jeden tag mache ich von neuem mit und sehe mir quasi dabei zu. bin ich das? ist derjenige, der tagtäglich arbeiten und einkaufen geht, eine wohnung und eine freundin in berlin hat, ist dieser mensch, in dem ich offenbar feststecke, identisch mit dem "ich"? und woher kommt dieses "ich", welches mir seit jeher wie ein teufel im nacken sitzt? wäre das leben nicht viel unanstrengender, wenn es mich einfach nur ohne dieses bewusstsein gäbe? diese ewige fragenstellerei bringt mich doch nur um den verstand...
könnte mich gott erlösen? könnte mir eine idee wie der solipismus auf meiner suche weiterhelfen? oder eine form des buddhismus?
ich weiß nicht. eher nicht. ich fühle mich in sachen sinnsuche als autodidakt. wie du auch sagtest, hattest du dir die idee selbst entworfen und erst hernach die kompatibilität mit dem solipismus entdeckt. ich denke, ich werde diesen (meinen) weg bis zum bitteren ende alleine/einsam weitergehen. doch freue ich mich jedesmal, wenn ich menschen begegne, die auf ihre art einen ähnlich beschwerlichen weg auf der suche nach dem sinn ihrer existenz beschreiten. die meisten menschen setzen für ihr leben die prioritäten eher im profanen. auch ich bin dem weltlichen absolut nicht abgeneigt. ich habe an manchen materiellen dingen viel spaß. ich benötige soziale kontakte für mein psychisches wohlgefühl. wenn ich krank bin, brauche ich einen arzt. als stoffwechselmaschine benötige ich jeden tag futter. ich bin ein produkt der evolution. es brauchte 14 milliarden jahre, dass ich hier an einem schreibtisch in berlin sitze und dir diese zeilen schreibe...
wie gesagt, ich sehe das mit den ideen ganz pragmatisch: manchmal im leben helfen gewisse ideen weiter. ich klammere mich nicht an diese ideen, ich benutze sie.
mir hilft das dann. manchmal. aber alleine den weg zu gehen (wie du schreibst), ist wohl eine grundlage, die ich nicht alleine habe.
mir kommt da irgendwie, ohne das verhindern zu können das gedicht von hermann hesse in den sinn:
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den anderen,
Jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allem ihn trennt.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.
wie so oft hat ein anderer schon großartig ausgedrückt, was es dazu zu sagen gibt.
daher schweige ich jetzt.
ich danke dir auch sehr für den erfrischenden austausch!
hab ein schönes wochenende :)
ja, es existiert im geistigen sinne absolut viel nebel auf der welt...
ich begreife mich in der hauptsache als "fragenden menschen". davon rücke ich nicht ab. ich suche zwar nach anworten, aber die fragen sind mir noch viel wichtiger.
darum dieses gedicht:
der fragende mensch
absurd, absurd - ist mein gefühl
irgendwas stimmt nicht
mit mir oder mit der welt
nicht nur die erde
es ist verrückt
ich glaube nicht an gott
auch nicht an unseren verstand
außerdem ist es lustig
aber auf die dauer langweilig
wenn man halt so lebt
im großen und ganzen zufrieden
weil man sich die fragen spart
weil es unsinn ist zu fragen
wer mir was abseits der kommentare mitteilen will, möge das bitte unter meiner e-mail-adresse gerne tun.
für mit diesem weblog verlinkte andere seiten - und dort vielleicht auftauchende ungehörige photos, anzügliche texte oder gottes- und staatslästerliche gedanken und andere pisse & scheisse - bin ich nicht verantwortlich zu machen. bitte tragen sie ihre sorgen wo anders hin, danke.
Lieber für etwas gehasst werden, das man ist, als für etwas geliebt werden, das man nicht ist. André Gide
und das ist dann auch sehr schön; finde ich.
(ganz konkret meine praktische beschäftigung mit der musik von johann sebastian bach,
die nach gut 25 jahren "reifungspause" eine prägnanz und qualität erreicht hat, die ich damals nie für möglich gehalten hätte)
ich mach das nicht mehr... und siehe da, es tut mir sehr gut, weil ich tatsächlich alles nach innen hole; auch das, was ich (n0ch) nicht erkannt habe.
schön daran ist, dass wirklich ich entscheide, was wichtig in meiner welt ist und was nicht (selbst, wenn das ich (nach den konzepten mancher kognitionswissenschaftler) ein fragwürdiges ist - ich bin nicht gezwungen, gerade dieses konzept in mein zentrum zu holen und wichtig zu nehmen). ich lass mich von den fröhlichen wissenschaften nicht in meinen geistigen bewegungsoptionen kastrieren.
ich binde mich selbst in eine welt ein, die ich erkenne.
mitsamt all den seltsamen dingen, die ich (noch) nicht verstehe... großartig daran finde ich, dass ich mich auch dafür entscheiden kann, auf bestimmte aspekte dieser welt gepflegt zu scheißen, denn ich alleine verantworte ja dann, was mir entgeht bzw. die folgen davon.
die philosophen, die ja für alles einen namen haben, nennen das solipsistisch... mir soll das recht (bzw. herzlich egal) sein ;)
aus der sicht von jemandem, der kein solipsist ist (also in einem anderen weltmodell) sind alle solipsisten einfach nur spinner, die die "welt" nicht als sammlung von unabhängigen entitäten begreifen sondern sich alles in ihren geist holen und alles durch ihren geist auf basis ihrer eigenen erlebnisse bewerten und einordnen... die frage nach unecht oder echt stellt sich von außen daher nicht, denke ich ;)
Ich glaube irgendwie an nichts, und ich glaube, das ist das Beste. So bleiben mir alle Möglichkeiten offen.
momentan glaube ich das alles nicht, ich erlebe es.
morgen ist alles vielleicht wieder anders, alle optionen sind offen; auch bei mir ;)
eigentlich arbeiten eine menge gescheiter leute seit einigen jahrhunderten an der dezentralisierung des menschseins - wir sind eben nicht der mittelpunkt von allem, und ein einziger schon gar nicht. dummerweise flunkert das bewusstsein dem menschen zu gern vor, dass er im mittelpunkt des universums steht. auch ich fragte mich schon oft: was bleibt von der welt ohne meine wahrnehmung? ist vielleicht alles ein inszeniertes theater für mich? alles dreht sich im wahrsten sinne des wortes um mich ... gibt es die welt nur in mir? spielt sich alles nur in meinem kopf ab?
wie gesagt, als gedankenspiel finde ich solche ausflüge in den sogenannten solipismus ganz nett, aber ich könnte diese idee nicht derart verinnerlichen, wie du es offensichtlich zur zeit tust.
du erwähnst die durchaus respektablen ergebnisse abertausender gescheiter leute, die in den letzten jahrhunderten daran arbeiten, den menschen aus dem mittelpunkt zu rücken - und ich kenne einige dieser gedankengänge sehr gut... die durchaus nachvollziehbare entwicklung vom egozentrischen weltbild zum geozentrischen weltbild (das zunächst davon ausging, dass wir auf einer scheibe lebten, bis es eine kugel wurde), das dann endlich erkannte, dass sich nicht die sonne und alle sterne um die erde drehen, sondern umgekehrt, und dass auch die sonne sich in größerem maßstab um das zentrum der milchstraße dreht und dass auch die milchstraße nur eine kleine, durchschnittliche galaxie von milliarden anderen galaxien ist in einem universum das so groß und komplex ist, dass wir niemals die chance haben werden, einen nennenswerten teil davon zu sehen... geschweige denn auch nur ansatzweise zu verstehen... dass das natürlich auch hier schon auf unserem heimatplaneten im kleinen maßstab eine große rolle spielt, ist natürlich auch klar: denn wir menschen sind nur eine einzige von millionen an anderen arten und spezies in dieser biosphäre, und wir können selbst hier nur mit unseresgleichen reden (also mit unserer erfindung der sprache); mit tieren können wir zwar kommunizieren, geben da aber nicht die syntax vor. vielleicht bei einer handvoll... aber wer versucht es denn bei ameisen, oder fischen, oder fruchtfliegen? oder bakterien?
sicher stehen hinter all diesen dingen noch viel komplexere gedankengebäude, aber darum geht es jetzt nicht: ich wollte nur andeuten, dass diese ideen mir durchaus geläufig sind.
das ist die seite der wissenschaft, und da zähle ich auch die philosophie(n) dazu, die niemals müde werden, mit tausenden und abertausenden von seiten, büchern und wortkaskaden alles zu erklären, was man so erklärt haben möchte.
mir ging es dabei immer ganz ähnlich wie dir: das alles klingt ja recht schön und gut, aber was bedeutet es im endeffekt für mich? die wahrheiten, die sich im laufe der jahrtausende so oft geändert haben, die sich verwandelten und verformten (wobei ich jetzt nicht (nur) die nachvollziehbare entwicklung vom geozentrischen zum ?-zentrischen weltbild meine), sondern die vielen anderen philosophischen schulen, ansätze, widersprüche und weltmodelle, die auf den verschiedenen soziologischen, psychologischen, kulturellen... etc. ebenen beruhen und sich gegenseitig befruchten und bekämpfen. manches davon ist interessant, anderes völlig idiotisch, einiges faszinierend, anderes einfach überholt.
wenn du sagst, dass du an nichts glaubst und dadurch alle möglichkeiten offenbleiben, so ist auch das eine möglichkeit, mit dem angebot umzugehen.
diese sicht ist meiner gar nicht so fern, die meiste zeit verhalte ich mich recht ähnlich.
manchmal aber - in schwachen momenten - entwickle ich strategien (die dann oft ihre vorläufer in der langen menschheitsgeschichte haben), um in all dem CHAOS überleben zu können. mein momentanes weltbild hat sich aus meinen lebensumständen ganz einfach herausgeklappt. das war keine entscheidung in der art von "ab heute bin ich solipsist, weil das so cool und hip ist"... und eigentlich bin ich auch gar kein solipsist, vielmehr sind die solipsisten ähnlich wie ich, auch wenn die idee älter ist als ich, das spielt keine nennenswerte rolle für mich.
denn die idee kam zu mir, nicht ich zu ihr.
mir ist vollkommen bewusst, dass viele dieser sätze auch von gläubigen menschen kommen könnten, mit anderem zentrum, mit anderer färbung; da ist dann "gott" das zentrum (im grunde nur eine spiegelung des eigenen zentrums nach außen) und diese gläubigen finden dann alle antworten in einem alten buch, finden einander in kirchen, usw.
was ich mit gläubigen menschen durchaus gemeinsam habe, ist die überzeugung, die ich manchmal von bestimmten ideen habe; aber ich verwende ideen immer nur als "werkzeug", die als leitideen für mein leben (eine zeit lang) funktionieren, bevor sie wieder zerfallen und ihren zweck erfüllt haben.
ob das gut funktioniert, weiß ich nicht; aber suche ich mir das aus? die kognitionswissenschafter sagen, dass all das nur geflunker im gehirn ist. aber ist deren beobachten und erkennen nicht auch nur ein geflunker in deren hirnen? trifft das dann nicht folgerichtig auf alles andere auch zu?
ist nicht die ganze menschheit nur eine sammlung von herumflunkernden eiweißakkumulationen, die sich etwas einbilden?
mir jedenfalls lieferte die wissenschaft keine für mich brauchbaren antworten - das hab ich nun (mit ablaufdatum unbekannt) selbst getan, und mache das auch weiterhin.
ich kann nicht anders.
noch grundlegender: wieso ist die welt, wie sie ist - mit ihren erscheinungen, den naturgesetzen, raum und zeit? warum ist alles genau so und nicht anders?
was im bezug auf mich selbst heißt: warum gibt es mich? wer bin ich? was mache ich hier?
den meisten menschen erscheint wohl selbstverständlich, dass sie leben, denken und fühlen. jedenfalls machen sie auf mich diesen eindruck. alles sieht nach einer art monopoly aus, welches wir alle nach gewissen regeln spielen, wobei ich mich wundere, dass so gut wie niemand das spiel selbst hinterfragt. ja, wenn ich`s recht bedenke, wundert mich das am meisten: warum gibt es so wenige menschen, die all dies hinterfragen? eine verschwörungstheorie wäre, dass die welt voller zombies ist, die als ferngesteuerte bio-roboter agieren. selbst die gefühle sind dabei nur mache.
mir erscheint die welt oft als riesengroßes schauspiel mit mir als einzigem zuschauer. was will mir die welt (bzw. dieses schauspiel) sagen? dabei bin ich selbst involviert, denn ich bin nicht nur passiver zuschauer, sondern auch akteur in dem schauspiel. jeden tag mache ich von neuem mit und sehe mir quasi dabei zu. bin ich das? ist derjenige, der tagtäglich arbeiten und einkaufen geht, eine wohnung und eine freundin in berlin hat, ist dieser mensch, in dem ich offenbar feststecke, identisch mit dem "ich"? und woher kommt dieses "ich", welches mir seit jeher wie ein teufel im nacken sitzt? wäre das leben nicht viel unanstrengender, wenn es mich einfach nur ohne dieses bewusstsein gäbe? diese ewige fragenstellerei bringt mich doch nur um den verstand...
könnte mich gott erlösen? könnte mir eine idee wie der solipismus auf meiner suche weiterhelfen? oder eine form des buddhismus?
ich weiß nicht. eher nicht. ich fühle mich in sachen sinnsuche als autodidakt. wie du auch sagtest, hattest du dir die idee selbst entworfen und erst hernach die kompatibilität mit dem solipismus entdeckt. ich denke, ich werde diesen (meinen) weg bis zum bitteren ende alleine/einsam weitergehen. doch freue ich mich jedesmal, wenn ich menschen begegne, die auf ihre art einen ähnlich beschwerlichen weg auf der suche nach dem sinn ihrer existenz beschreiten. die meisten menschen setzen für ihr leben die prioritäten eher im profanen. auch ich bin dem weltlichen absolut nicht abgeneigt. ich habe an manchen materiellen dingen viel spaß. ich benötige soziale kontakte für mein psychisches wohlgefühl. wenn ich krank bin, brauche ich einen arzt. als stoffwechselmaschine benötige ich jeden tag futter. ich bin ein produkt der evolution. es brauchte 14 milliarden jahre, dass ich hier an einem schreibtisch in berlin sitze und dir diese zeilen schreibe...
wie gesagt, ich sehe das mit den ideen ganz pragmatisch: manchmal im leben helfen gewisse ideen weiter. ich klammere mich nicht an diese ideen, ich benutze sie.
mir hilft das dann. manchmal. aber alleine den weg zu gehen (wie du schreibst), ist wohl eine grundlage, die ich nicht alleine habe.
mir kommt da irgendwie, ohne das verhindern zu können das gedicht von hermann hesse in den sinn:
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den anderen,
Jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt,
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allem ihn trennt.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.
wie so oft hat ein anderer schon großartig ausgedrückt, was es dazu zu sagen gibt.
daher schweige ich jetzt.
ich danke dir auch sehr für den erfrischenden austausch!
hab ein schönes wochenende :)
ich begreife mich in der hauptsache als "fragenden menschen". davon rücke ich nicht ab. ich suche zwar nach anworten, aber die fragen sind mir noch viel wichtiger.
darum dieses gedicht:
der fragende mensch
absurd, absurd - ist mein gefühl
irgendwas stimmt nicht
mit mir oder mit der welt
nicht nur die erde
es ist verrückt
ich glaube nicht an gott
auch nicht an unseren verstand
außerdem ist es lustig
aber auf die dauer langweilig
wenn man halt so lebt
im großen und ganzen zufrieden
weil man sich die fragen spart
weil es unsinn ist zu fragen
warum das alles so ist
und nicht anders
ich suche den menschen
der die fragen stellt
der mir das gefühl gibt
nicht allein zu sein
ich kann mich nicht einfügen
wie man es wünscht
scheinheilig die freiheit verspricht
- ekelhaft!
in mir ist traurigkeit
es wird oft eng
mit den erwartungen
die diese welt an mich stellt
oft schreie ich ganz still
in mich hinein
wegen der hoffnung
die kommt und geht
wegen der triebe
die irgendwo - ganz tief
nach leben verlangen
(1981)
dir auch ein schönes wochenende!