8. Folge: Duplizitäts-Gören
im Schauspielhaus Wien wird derzeit in zwölf Folgen Die Strudlhofstiege von Heimito von Doderer als "Fortsetzungstheaterstück" aufgeführt: 12 Abende, 12 Regisseure, 4 Schauspielerinnen und Schauspieler, 900 Seiten Roman.
Ich begleite, gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Heimito von Doderer-Gesellschaft, dieses Projekt in Form von kurzen Eindruckswiedergaben, die im Doderer-Forum, und hier, nachzulesen sind.
Folge 8: Duplizitäts-Gören (Aufführung vom 22.2.2008)
Regie: Florian Flicker
Seite 559-654
Als Teil des Inventares liegen (Ascher, Reiser, Dolezal) und sitzen (Zeiler) die Protagonisten bereits vor Beginn des Stückes, beim Einströmen des Publikums, im raumgreifenden Doppelbett und bauen dadurch einen intimen Rahmen auf, den das Publikum von Anfang an ignorieren muss, also in ein bewohntes Schlafzimmer hineintritt. Zeiler sitzt als "Heimito von Doderer" neben dem Bett, eine kleine Reitgerte in der Hand und sieht düster in die Runde der Besucher, die drei im Bett lächeln etwas irritiert dem Publikum zu. Ein Tagebuchzitat, das eine Brücke zu den "erleuchteten Fenstern" spannt, wird grimmig von Zeiler mit Peitschenschlag in die linke Hand als Einstieg hervorgestoßen, bevor die Titelmusik und die Vorstellung beginnt.
Verspielt und witzig gerät das Nacherzählen der vergangenen sieben Folgen von der Off-Stimme und das dazu simultan in den Raum werfen von illustrierenden rosa "Moderationskarten" durch die Entourage im Bett.
Die Pastre-Zwillinge und Eulenfeld sind den ganzen Abend lang am beratschlagen und rekapitulieren.
Das Eintreten in das Schlafzimmer Doderers wird dennoch auch eines der Hauptthemen des Abends, indem Dorothea Zeemann eine kleine Rolle erhält und sich in die Figur der Mimi Scarlez (Angela Ascher) einschiebt. Mit Zeemanns Worten wird z.B. Doderers Eifersucht auf Thomas Mann eingebracht. Von Doderer selbst in seinem Tagebuch festgehaltene Probleme mit der Sexualität werden bemüht. Seine von der Öffentlichkeit (und ihm selbst) nie ganz überwundene problematische Positionierung zum Nationalsozialismus werden einerseits äußerst geschmacklos und überspitzt in das andererseits wundervoll rund um und auf dem Bett ablaufende Zitatekonglomerat angesetzt. Wenn die Figur des "Doderer" kurzfristig als Hitler-Epigone da steht und stammelnd schreiend kleinstbürgerlichen Unsinn von sich gibt, dann ist die denkbar größte Distanz zum Stoff des Stiegenromans gegeben. Ich würde die Art des Einflechtens von (fragwürdigen) Biographie-Versatzstücken als "frei assoziative Analyse" bezeichnen, die in der Bezughaftigkeit zur Realität natürlich theatergemäß überhöht und übertreibt (und manchmal strauchelt). Jedoch geht es hier nicht um Inhalte des Romans, sondern um "rein positive Dinge der Forschung", den "Menschen Doderer", der bei aller Kritik auch einen Restbestand an Respekt verdient hat. Dieser geht bisweilen in diesen freien Kakaoschüttaktionen verloren. Was bei den Romaninhalten durchaus steigernd (und verdeutlichend) wirken kann wird bei diesen Details gefährliche Verplattung und Ablenkung.
Die Gespräche zwischen Eulenfeld, Editha Pastré und Mimi bewegen sich in musikalisch hochwertiger Form rund um das Bett, die leise Musik aus dem Off bildet einen Teppich, auf dem die Zitate sich dramaturgisch schön aufschraubend emporhangeln.
Doderer schlüpft ins Bett (zu Mimi/Dorothea), in dem die Romanfiguren gerade sprechen, er mischt sich in die Geschichte dissonant-störend ein, was nur dann bei der Lektüre des Romans passieren kann, wenn zuviel an Sekundärliteratur zeitgleich konsumiert wird.
Der achte Abend hatte dramaturgisch dennoch eine besondere Qualität, da die Stimmung etwas sehr chaotisch-intimes aufbot und mit sehr geringen technischen Mitteln (Sprache, Tempo, ausgeklügelte Raumnutzung) unglaublich viel bewegte. Die Zeit verflog und war dennoch dicht gepackt mit "Stimmung".

Ich begleite, gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Heimito von Doderer-Gesellschaft, dieses Projekt in Form von kurzen Eindruckswiedergaben, die im Doderer-Forum, und hier, nachzulesen sind.
Folge 8: Duplizitäts-Gören (Aufführung vom 22.2.2008)
Regie: Florian Flicker
Seite 559-654
Als Teil des Inventares liegen (Ascher, Reiser, Dolezal) und sitzen (Zeiler) die Protagonisten bereits vor Beginn des Stückes, beim Einströmen des Publikums, im raumgreifenden Doppelbett und bauen dadurch einen intimen Rahmen auf, den das Publikum von Anfang an ignorieren muss, also in ein bewohntes Schlafzimmer hineintritt. Zeiler sitzt als "Heimito von Doderer" neben dem Bett, eine kleine Reitgerte in der Hand und sieht düster in die Runde der Besucher, die drei im Bett lächeln etwas irritiert dem Publikum zu. Ein Tagebuchzitat, das eine Brücke zu den "erleuchteten Fenstern" spannt, wird grimmig von Zeiler mit Peitschenschlag in die linke Hand als Einstieg hervorgestoßen, bevor die Titelmusik und die Vorstellung beginnt.
Verspielt und witzig gerät das Nacherzählen der vergangenen sieben Folgen von der Off-Stimme und das dazu simultan in den Raum werfen von illustrierenden rosa "Moderationskarten" durch die Entourage im Bett.
Die Pastre-Zwillinge und Eulenfeld sind den ganzen Abend lang am beratschlagen und rekapitulieren.
Das Eintreten in das Schlafzimmer Doderers wird dennoch auch eines der Hauptthemen des Abends, indem Dorothea Zeemann eine kleine Rolle erhält und sich in die Figur der Mimi Scarlez (Angela Ascher) einschiebt. Mit Zeemanns Worten wird z.B. Doderers Eifersucht auf Thomas Mann eingebracht. Von Doderer selbst in seinem Tagebuch festgehaltene Probleme mit der Sexualität werden bemüht. Seine von der Öffentlichkeit (und ihm selbst) nie ganz überwundene problematische Positionierung zum Nationalsozialismus werden einerseits äußerst geschmacklos und überspitzt in das andererseits wundervoll rund um und auf dem Bett ablaufende Zitatekonglomerat angesetzt. Wenn die Figur des "Doderer" kurzfristig als Hitler-Epigone da steht und stammelnd schreiend kleinstbürgerlichen Unsinn von sich gibt, dann ist die denkbar größte Distanz zum Stoff des Stiegenromans gegeben. Ich würde die Art des Einflechtens von (fragwürdigen) Biographie-Versatzstücken als "frei assoziative Analyse" bezeichnen, die in der Bezughaftigkeit zur Realität natürlich theatergemäß überhöht und übertreibt (und manchmal strauchelt). Jedoch geht es hier nicht um Inhalte des Romans, sondern um "rein positive Dinge der Forschung", den "Menschen Doderer", der bei aller Kritik auch einen Restbestand an Respekt verdient hat. Dieser geht bisweilen in diesen freien Kakaoschüttaktionen verloren. Was bei den Romaninhalten durchaus steigernd (und verdeutlichend) wirken kann wird bei diesen Details gefährliche Verplattung und Ablenkung.
Die Gespräche zwischen Eulenfeld, Editha Pastré und Mimi bewegen sich in musikalisch hochwertiger Form rund um das Bett, die leise Musik aus dem Off bildet einen Teppich, auf dem die Zitate sich dramaturgisch schön aufschraubend emporhangeln.
Doderer schlüpft ins Bett (zu Mimi/Dorothea), in dem die Romanfiguren gerade sprechen, er mischt sich in die Geschichte dissonant-störend ein, was nur dann bei der Lektüre des Romans passieren kann, wenn zuviel an Sekundärliteratur zeitgleich konsumiert wird.
Der achte Abend hatte dramaturgisch dennoch eine besondere Qualität, da die Stimmung etwas sehr chaotisch-intimes aufbot und mit sehr geringen technischen Mitteln (Sprache, Tempo, ausgeklügelte Raumnutzung) unglaublich viel bewegte. Die Zeit verflog und war dennoch dicht gepackt mit "Stimmung".

david ramirer - Freitag, 22. Februar 2008, 21:00