heimito von doderer

Freitag, 22. Februar 2008

8. Folge: Duplizitäts-Gören

im Schauspielhaus Wien wird derzeit in zwölf Folgen Die Strudlhofstiege von Heimito von Doderer als "Fortsetzungstheaterstück" aufgeführt: 12 Abende, 12 Regisseure, 4 Schauspielerinnen und Schauspieler, 900 Seiten Roman.
Ich begleite, gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Heimito von Doderer-Gesellschaft, dieses Projekt in Form von kurzen Eindruckswiedergaben, die im
Doderer-Forum, und hier, nachzulesen sind.

Folge 8: Duplizitäts-Gören (Aufführung vom 22.2.2008)
Regie: Florian Flicker
Seite 559-654

Als Teil des Inventares liegen (Ascher, Reiser, Dolezal) und sitzen (Zeiler) die Protagonisten bereits vor Beginn des Stückes, beim Einströmen des Publikums, im raumgreifenden Doppelbett und bauen dadurch einen intimen Rahmen auf, den das Publikum von Anfang an ignorieren muss, also in ein bewohntes Schlafzimmer hineintritt. Zeiler sitzt als "Heimito von Doderer" neben dem Bett, eine kleine Reitgerte in der Hand und sieht düster in die Runde der Besucher, die drei im Bett lächeln etwas irritiert dem Publikum zu. Ein Tagebuchzitat, das eine Brücke zu den "erleuchteten Fenstern" spannt, wird grimmig von Zeiler mit Peitschenschlag in die linke Hand als Einstieg hervorgestoßen, bevor die Titelmusik und die Vorstellung beginnt.

Verspielt und witzig gerät das Nacherzählen der vergangenen sieben Folgen von der Off-Stimme und das dazu simultan in den Raum werfen von illustrierenden rosa "Moderationskarten" durch die Entourage im Bett.

Die Pastre-Zwillinge und Eulenfeld sind den ganzen Abend lang am beratschlagen und rekapitulieren.
Das Eintreten in das Schlafzimmer Doderers wird dennoch auch eines der Hauptthemen des Abends, indem Dorothea Zeemann eine kleine Rolle erhält und sich in die Figur der Mimi Scarlez (Angela Ascher) einschiebt. Mit Zeemanns Worten wird z.B. Doderers Eifersucht auf Thomas Mann eingebracht. Von Doderer selbst in seinem Tagebuch festgehaltene Probleme mit der Sexualität werden bemüht. Seine von der Öffentlichkeit (und ihm selbst) nie ganz überwundene problematische Positionierung zum Nationalsozialismus werden einerseits äußerst geschmacklos und überspitzt in das andererseits wundervoll rund um und auf dem Bett ablaufende Zitatekonglomerat angesetzt. Wenn die Figur des "Doderer" kurzfristig als Hitler-Epigone da steht und stammelnd schreiend kleinstbürgerlichen Unsinn von sich gibt, dann ist die denkbar größte Distanz zum Stoff des Stiegenromans gegeben. Ich würde die Art des Einflechtens von (fragwürdigen) Biographie-Versatzstücken als "frei assoziative Analyse" bezeichnen, die in der Bezughaftigkeit zur Realität natürlich theatergemäß überhöht und übertreibt (und manchmal strauchelt). Jedoch geht es hier nicht um Inhalte des Romans, sondern um "rein positive Dinge der Forschung", den "Menschen Doderer", der bei aller Kritik auch einen Restbestand an Respekt verdient hat. Dieser geht bisweilen in diesen freien Kakaoschüttaktionen verloren. Was bei den Romaninhalten durchaus steigernd (und verdeutlichend) wirken kann wird bei diesen Details gefährliche Verplattung und Ablenkung.

Die Gespräche zwischen Eulenfeld, Editha Pastré und Mimi bewegen sich in musikalisch hochwertiger Form rund um das Bett, die leise Musik aus dem Off bildet einen Teppich, auf dem die Zitate sich dramaturgisch schön aufschraubend emporhangeln.
Doderer schlüpft ins Bett (zu Mimi/Dorothea), in dem die Romanfiguren gerade sprechen, er mischt sich in die Geschichte dissonant-störend ein, was nur dann bei der Lektüre des Romans passieren kann, wenn zuviel an Sekundärliteratur zeitgleich konsumiert wird.

Der achte Abend hatte dramaturgisch dennoch eine besondere Qualität, da die Stimmung etwas sehr chaotisch-intimes aufbot und mit sehr geringen technischen Mitteln (Sprache, Tempo, ausgeklügelte Raumnutzung) unglaublich viel bewegte. Die Zeit verflog und war dennoch dicht gepackt mit "Stimmung".

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Freitag, 15. Februar 2008

7. Folge: Zarte Wäsche

im Schauspielhaus Wien wird derzeit in zwölf Folgen Die Strudlhofstiege von Heimito von Doderer als "Fortsetzungstheaterstück" aufgeführt: 12 Abende, 12 Regisseure, 4 Schauspielerinnen und Schauspieler, 900 Seiten Roman.
Ich begleite, gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Heimito von Doderer-Gesellschaft, dieses Projekt in Form von kurzen Eindruckswiedergaben, die im
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Folge 7: Zarte Wäsche (Aufführung vom 15.2.2008)
Regie: Hauke Lanz
Seite 479-558

Die Inszenierung der siebenten Folge zeichnet sich gegenüber den bisherigen Episoden durch extreme Verknappung und inhaltliche Verkürzung aus.
Wenngleich auch in den bisherigen Regiearbeiten auf Werktreue wenig Wert gelegt wurde (was ich als höchst erfrischend empfand) wirken die Metaphern und theatralischen Mittel diesesmal fast amputiert und herbeigezogen: Die Gondel (der blaue Waschtrog) hob sich / Das schnell Versinkende lässt Bläschen aufsteigen (der kaputte Fahrradschlauch bei der Suche nach dem Loch).

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Ein Gespräch zwischen Melzer und René Stangeler versinkt in die absolute Bedeutungslosigkeit und erreicht lediglich ein paar Lacher wegen der alltäglichen Kryptik des aneinander vorbeiredens der grundverschiedenen Männer... was im Roman herauskommt, verflacht aber leider hier: Melzer und Stangeler erscheinen durch die Beliebigkeit des Dialoges gleich desinteressiert an dem, worüber sie reden, das Profil geht verloren, was schade ist: die Figur des René Stangeler (Christian Dolezal) war eine in den sechs ersten Folgen gut aufgebaute Erscheinung, die heute Risse durch Unglaubwürdigkeit bekam.
Sehr heftig poltert die Szene mit Konsul Fraunholzer und einer gewohnt manisch-depressiven Etelka (Angela Ascher), die sich dem 70er-Jahre-Lausbuben Karl von W. hingibt, durch die Schneiderei. Sehr laut, sehr heftig, dramatisch... mit zu wenig Raum für die subtilen Abschattierungen dieser nicht gerade einfachen Szene des Buches.

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Das Auftreten der gedoppelten Pastrés gelingt gut und erinnert an Höhepunkte der vergangenen sechs Folgen, doch insgesamt ging der siebente Abend als schwache Dissonanz zu Ende: es fehlte zuviel, um die angegebenen Seiten umzusetzen.

Freitag, 8. Februar 2008

6. Folge: Schwimmhöschen und die leichten Schuhe

im Schauspielhaus Wien wird derzeit in zwölf Folgen Die Strudlhofstiege von Heimito von Doderer als "Fortsetzungstheaterstück" aufgeführt: 12 Abende, 12 Regisseure, 4 Schauspielerinnen und Schauspieler, 900 Seiten Roman.
Ich begleite, gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Heimito von Doderer-Gesellschaft, dieses Projekt in Form von kurzen Eindruckswiedergaben, die im
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Folge 6: Schwimmhöschen und die leichten Schuhe (Aufführung vom 8.2.2008)
Regie: Alexander Charim
Seite 424-479

"Herr Doderer, was ist das Magische an der Strudlhofstiege?" fragt der Erzähler (Johannes Zeiler) den Autor, der mit seiner großen Pfeife im Mund vom Spiegel-Cover in den Raum blickt. Gerade vorher hat er das Foto noch gekämmt, gepudert und mit Haarspray bearbeitet, als wolle er den Autor über den Umstand trösten, dass er ja nun doch im Theater gelandet ist, auch wenn er ja gegen das Theater eine so tiefe Abneigung hatte. Doch theatralisch sind seine Romane durchaus, und die heutige Folge führte das beeindruckend vor Augen.

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Nach einem an die letzte Folge anknüpfenden Auftakt mit vier Diktaphonen, die Zitate aus den vergangenen Folgen ineinanderspielend verschränkten und die transzendente Kommunikation fortspielten, wurde ein Interview mit Doderer zitiert, in dem er sich gegen das Theater aussprach, und in die Stille nach der eingangs festgehaltenen Frage "Was ist das Magische an der Strudlhofstiege?" wurde es sehr deutlich auf den Punkt gebracht, dass es die Musik ist, die hier die Magie aufbaut. Eine fünfte "Protagonistin" betrat heute die Bühne: eine Pianistin begleitet die Schauspieler bei beeindruckenden Liedeinlagen bzw. interpretiert wunderbar zu Doderer passende Instrumentalpassagen. Das magische etwa an der Passage vom 21. August 1925, halb acht Uhr morgens, als René Stangeler im Duft von Lavendel erwacht und sich an das kleine Medaillon erinnert, ja, diese Magie stand in der Schneiderei erstaunlich greifbar da, und in sehr anschaulichen Wortstückbildern bewegte es sich musikalisch weiter. Eine kanonhaft improvisatorisch vorgetragene Überlagerung von repetitiven Textfragmenten aller vier Schauspieler bildete eine Brücke zum Erzähler, der die Vorzüge der damaligen Schlafwagenzüge spielerisch zwei mal (sehr unterschiedlich) vorträgt, was ein ironisch gefärbter Hinweis darauf ist, dass es sehr darauf ankommt, wie ein Text gelesen wird, was nicht nur am Theater, sondern auch bei Doderers Romanwelt eine Schlüsselfrage ist.

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Die im Roman von mir heißgeliebte Szene mit dem Mate Tee hätte das wunderbare Gedicht durchaus als Vortrag vertragen, doch die statt dessen singende Editha Pastre (Marion Reiser), die dem anderweitig beschäftigten René Stangeler (Christian Dolezal) damit die poetisch-lyrische Arbeit abnimmt, passte zugegeben besser in die Dramaturgie des Abends.
Jemand, der die Strudlhofstiege mehr oder weniger präsent in sich trägt als Besucher bei den Variationen im Schauspielhaus, kann enttäuscht und beglückt zugleich sein, wenn eine Passage (gerade an einem sprachtechnisch so spannenden Abend wie diesem) gefühlterweise Chancen verspielt. Insgesamt aber war auch dieser straffe sechste Teil eine runde Sache, und ich beglückwünsche die Schauspieler zur absolvierten Halbzeit!

Freitag, 1. Februar 2008

5. Folge: Liebe ist die schwankende Deklination vom anderen Pole

im Schauspielhaus Wien wird derzeit in zwölf Folgen Die Strudlhofstiege von Heimito von Doderer als "Fortsetzungstheaterstück" aufgeführt: 12 Abende, 12 Regisseure, 4 Schauspielerinnen und Schauspieler, 900 Seiten Roman.
Ich begleite, gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Heimito von Doderer-Gesellschaft, dieses Projekt in Form von kurzen Eindruckswiedergaben, die im
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Folge 5: Liebe ist die schwankende Deklination vom anderen Pole (Aufführung vom 1.2.2008)
Regie: Lukas Bangerter
Seite 356-424

Erstaunlich nüchtern lag das Bühnenbild in dieser fünften Folge da: vier Lesepulte und dahinter der freie Blick durch das Fenster auf das Postamt auf der anderen Straßenseite.
Eine ärmlich anmutende Musik begleitete die ersten Minuten beim Betreten der Schneiderei und verstärkte den Eindruck der Armseligkeit.

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Die Vorstellrunde uferte in den ersten humoristischen Akt aus, als mehrere doppelte Rollen und auch konfuse Wiederholungen erneut klar machten, dass das Romankonzept Heimito von Doderers (der erneut mit ins Personalrepertoire genommen wurde) nicht an Figuren spart und bei vier Schauspielern da manches durcheinandergeraten kann. Die entgleitende Logik des Beginns fasste sich dann wieder und ironisierte die germanistisch wissenschaftliche Durchleuchtung des Romans mit nüchternen statistischen Daten zum diesmal dargebotenen Romanabschnitt, bevor Heimito von Doderer (Johannes Zeiler) den Faden erhob und Thea Rokitzer mit Paula Schachl an den Tisch setzte und das Gespräch der Freundinnen kommentierte.

Das Einbeziehen des Außenraums - der gegenüberliegenden Straßenseite und dem Balkon über dem Postamt - hatte etwas magisches.
Neben dem thematischen Aufgreifen des Post- und Briefthemas waren zwei bemerkenswerte Wutausbrüche Kern des Abends: Der im Cafehaus in eine Schallplattenschleife einmündende Vorwurfsanfall von Editha (Marion Reiser) in Richtung auf Thea (Angela Ascher) setzte Thea gewissermaßen in die Vorbereitung für den zweiten Anfall... wunderbar steigerte sich der Zerrütt- bzw. Rittmeister von Eulenfeld (Christian Dolezal) in einen sitzenden Ausbruch mit herumfuchtelnder Zeitung hinein, der zwar die Intensität der Stelle im Buch extrem übersteigerte, aber zum Wert von Wutausbrüchen im Werke Doderers eine Brücke erhob: ein Wutanfall Childerichs von Bartenbruch (Die Merowinger) kann kaum überzeugender ausfallen.

Enttäuscht und vermeintlich resigniert, mit sympatischer menschlicher Note wusste Johannes Zeiler (als er selbst) nach einem Drittel des Abends nicht mehr weiter und alle Schauspieler gemeinsam versuchten einen esoterischen Kontakt zum vermeintlich unweit des Schauspielhauses residierenden "Genius Loci" - Doderer selbst - mittels eines Radios aufzubauen. Doderer "sei ja hier", räumlich nahe, auch wenn die Zeitachse vorangeschritten sei, also wird dieses Mittel fruchten. Tat es natürlich nicht.
Derartige humoristische Einfälle treiben das Werk nicht wirklich voran, aber die sehr eindringlich gespielten Passagen dazwischen weben das Werk weiter. Es kommen die Rauchwaren langsam ins Spiel, die wichtigen Stellen werden eindringlichst vorgestellt und erklärt, und ich zweifle nicht daran, dass ein Besucher aller zwölf Folgen einen Eindruck der "Geschichte" im Roman haben wird.

Die Ausführungen zum Wesen des Zihalismus konnten am Orte der Schneiderei unweit dem Schauspielhause nicht im ganz von mir erwünschten Umfange eingeholt werden, auch wenn die schauspielerischen Hilfsmittel wiederholt in seminaristischer Weise sich in zum Teile nahezu pornografischem (Christian Dolezal) Filzstiftgekritzel über die Tapeten ergossen. Dadurch gelangt zur Evidenz, dass die rein verbaloiden Eindrücke des vorgetragenen Textes sich nicht restlos in die mit der Ratio erfahrbaren Regionen vorwagten, jedoch auf emotionaler Ebene das Wesensinnewohnende (im Sinne des "Dekors" über dem "Inhalt") durchaus aufnehmbar notiert werden konnte.
Ein neuerlicher Besuch der in Entwicklung befindlichen Serie wird hieramts daher auf das nachdrücklichste anempfohlen und somit prioriert.

Freitag, 25. Januar 2008

4. Folge: Champagner ins Blut

im Schauspielhaus Wien wird derzeit in zwölf Folgen Die Strudlhofstiege von Heimito von Doderer als "Fortsetzungstheaterstück" aufgeführt: 12 Abende, 12 Regisseure, 4 Schauspielerinnen und Schauspieler, 900 Seiten Roman.
Ich begleite, gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Heimito von Doderer-Gesellschaft, dieses Projekt in Form von kurzen Eindruckswiedergaben, die im
Doderer-Forum, und hier, nachzulesen sind.

Folge 4: Champagner ins Blut (Aufführung vom 25.1.2008)
Regie: Eike Hannemann
Seite 295-355

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Die Bühne wurde im vierten Teil auf einen sehr kleinen Bereich der Schneiderei zusammengepfercht: das längliche Zimmer war zu drei Vierteln mit Sitzgelegenheiten versehen, im letzten Viertel des Raumes wurde ein aufwändiges Environment installiert, welches den vier Schauspielern kaum Platz zum agieren einräumte. Dafür aber hatten drei von ihnen eine Menge an Ausrüstung zur Verfügung, um tontechnisch mitzuhelfen.
Dieser komprimierten Ausgangslage entsprechend wurden die Bewegungen mehr in das Innere der Figur des Majoren Melzer (Johannes Zeiler) verlagert, der die meiste Zeit auf dem Bett bei starkem Kaffee und Wasserpfeife liegt und die Bilder der vergangenen Seiten (bzw. Jahre) an sich vorüberziehen sieht. Aus Melzers "Denkschlaf" wird hier ein drogengestützter Diashowtrip, der nur wenige Elemente bringt, die - wie in den vergangenen Folgen - die Lachmuskeln stark beanspruchen.
Es ist eine sehr hübsche Idee, die Geräusche von den diesesmal nicht im Zentrum des Interesses stehenden Figuren auf der Bühne erzeugen zu lassen. Die präzise Erinnerung an Ereignisse, die bereits passiert sind, aber auch die nachträgliche Lichtung dessen, was beim "Skandal auf der Strudlhofstiege" in Folge 3 jetzt eigentlich wirklich passiert ist, erhebt sich in eine nunmehr auch für das Publikum sinnlich erfahrbare Ebene, wenn die Geräusche von trippelnden Schuhen, Wassergeplatsche beim Rudern und dem Blubbern der Wasserpfeife im Raum rund um Melzer entstehen.
Als alter Bekannter trat René Stangeler (Christian Dolezal) auf der Party beim Rittmeister auf, und knüpfte haarscharf an das an, was er zuletzt in Folge drei gesagt hatte. Solche Türen zwischen den Folgen (und eine Türe war es ja auch, die den Abgang vom Rittmeister und den Auftritt Renés hier bühnentechnisch ermöglichte) erzeugen langsam eine Art Linie im Gewirr der Figuren und Ereignisse.
Obwohl diese vierte Folge von der multimedialen Bandbreite der Mittel am perfektesten inszeniert war, hatte sie doch fühlbare Längen, und riss weniger mit als die anderen drei. Das mag an der etwas doch gar schläfrigen Beschaffenheit des Melzerschen Denkschlafes gelegen haben, der sich übertrug, oder aber auch an der fühlbaren Enge der Schneidereiräumlichkeiten.

Freitag, 18. Januar 2008

3. Folge: Rendez-vouz im Badezimmer

im Schauspielhaus Wien wird derzeit in zwölf Folgen Die Strudlhofstiege von Heimito von Doderer als "Fortsetzungstheaterstück" aufgeführt: 12 Abende, 12 Regisseure, 4 Schauspielerinnen und Schauspieler, 900 Seiten Roman.
Ich begleite, gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Heimito von Doderer-Gesellschaft, dieses Projekt in Form von kurzen Eindruckswiedergaben, die im
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Folge 3: Reifes Obst (Aufführung vom 18.1.2008)
Regie: Rudolf Frey
Seite 225-295

In der dritten Woche des zwölfstufig großromandurchmessenden Projektes wird die Schneiderei, in der die Inszenierungen Platz greifen, langsam zur dynamischen Wohngemeinschaft: nicht nur das Ensemble wird rasch wiedererkannt, auch das Publikum ist zum Teil aus bekannten Gesichtern zusammengesetzt, da die Serie mit gleichbleibenden Wochentagen verkauft wurde und sich das Publikum daher strukturiert einfindet.
Vor Beginn der Vorstellung hört man geflüstertes Geplauder der Gäste über den Inhalt und mögliche Kongruenzen der Protagonisten: "...ich habe ja gehört, dass der Major Melzer recht autobiographisch sein soll". Als Konsument des Doderer-ABCs wollte ich da einwerfen "der René Stangeler aber noch viel mehr", was zeigt, dass eine begleitende Ebene der Serie vielleicht guttun würde. Die Besucher der Stücke könnten sich eventuell nach den Aufführungen in einem Lokal zusammenfinden um über Lese- und Stückerfahrungen zu diskutieren. Zumindest wäre das anzuregen im Sinne einer Theaterförderung.

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In der dritten Folge wurde das bereits gewohnte Konzept der anfänglichen Vorstellrunde mit augenzwinkernder Reaktion der Protagonisten charmant abgewickelt, bevor dann die "Garden-Party" bei den Schmellers rasant, fast stummfilmhaft, abgerollt wurde. Wohl aus Versehen bekam Asta Stangeler (Marion Reiser) das entzückende violette Einhörndl aus der ersten Folge beim Schmettern einer Türe aus der Höhe auf den Kopf, doch sie baute dieses Bühnenbildmalheur wirklich gut in die ohnehin sich in Bedrängnis befindliche Figur der Asta ein.
Wunderbar griff das "kleine Empfangszimmer" in der Akademie als Begrenzung einer der witzigsten Szenen des Abends ein, wo sich alle vier Schauspieler versammelten, um dann auf engstem Raume Zeuge des Telefonats Teddy Honneggers mit Semski zu werden.
Dramatischer Gipfelmoment des Abends war aber in meinen Augen nicht die Schlagobersschlacht in der Konditorei und das Vorübergleiten von Etelka im Fenster (großartig: Christian Dolezal, der den esoterisch durchschäumten Jungstudenten René Stangeler mit viel Bezug zur Gegenwart aufstellt: "ich bin einfach besser hier in dieser Gegend"), sondern die mit Flip-Chart-Unterstützung in improvisiertem Streit ausgetragene Schilderung des "berühmten Skandals auf der Strudlhofstiege": hier wird gar nicht versucht, Klarheit zu schaffen; doch genau das ist ja auch, was dieser Moment im Buch bedeutet: ein Gewirr von Bezügen und Lebenslinien, die sich verknoten und gegeneinander arbeiten. Diese emotionale Spannung so in diesen kleinen Raum der Schneiderei zu holen, ist ein beachtlicher Kunstgriff.

Im dritten Teil wurde dadurch auch thematisiert, wie schwierig es ist, den Figuren und der Handlung zu folgen (auch für die Schauspieler und die Regisseure selbst). Doch selbst diese offengestandene Ehrlichkeit dem Stoff gegenüber ist auch bei Doderer zu finden, wenn er bisweilen ein "man könnte sich daran erinnern, dass..." in seine Schilderungen einbaut und dem Leser durchaus zugesteht, kein absolutes Gedächtnis zu besitzen (und auch nicht besitzen zu müssen).
Somit brachte auch der dritte Abend wieder viele neue Blicke in den Roman, aber auch wiederum einige neue Lektionen über das, was Theater sein kann.

Freitag, 11. Januar 2008

2. Folge: Reifes Obst

im Schauspielhaus Wien wird derzeit in zwölf Folgen Die Strudlhofstiege von Heimito von Doderer als "Fortsetzungstheaterstück" aufgeführt: 12 Abende, 12 Regisseure, 4 Schauspielerinnen und Schauspieler, 900 Seiten Roman.
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Folge 2: Reifes Obst (Aufführung vom 11.1.2008)
Regie: Julie Pfleiderer
Seite 151-225

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In bester Sitcom-Manier wird am Beginn des Stückes eine Kurzzusammenfassung geboten, bevor die einzelnen Figuren (gar nicht in Sitcom-Manier!) ihre Seelenlandschaften ausrollen.
Robby Fraunholzer (Johannes Zeiler), der füllige Konsul in Konstantinopel, der eine Liason mit Etelka Stangeler (Angela Ascher) beginnt, sitzt lange auf seinem Sessel in der Ecke, während Etelka von ihren Erfahrungen berichtet, lässig am Divan hingegossen. Nachdem auch er seine Sicht der Dinge dargelegt hat, kommt es zur auflockernd heftigen Interaktion der beiden... dank dem Gastprotagonisten Heimito von Doderer, der souflierend von rechts die Jahreszahlen aus dem Buch am Schoß korrigierend einsagt, können sich die Figuren ganz ihren emotionalen Pirouetten hingeben. Eine emotionale Pirouette der ganz besonderen Art liefert dann Rene Stangeler (Christian Dolezal), der die Ringelnatter-Begegnung in bester Indianertradition am eigenen Körper zelebriert und die sprachlichen Körperbezüge in den Doderertexten auf eine Art transparent macht: Sprache ist auch hier Körper.
Die Episode der Männertratschrunde, die sich wie Klatschweiber im Zimmer von Geyrenhoff zusammenfinden, und über die Pastré-Zwillinge plaudern, ist zwar gut gemeint, wirkte aber leider etwas gehetzt. Diese Episode hätte mit etwas mehr Dehnung und Zeit gespielt werden können, es fiel etwas schwer den raschen Gesprächsfetzen zu folgen - und gerade auch die Informationen dieses Palavers sind wichtig für den weiteren Verlauf.
Dafür funktionierte die Begegnung von Rene Stangeler und Editha Pastré (Marion Reiser) am Ende sehr gut, und der abschließende Cliffhanger kam (gefühlterweise, wegen des etwas hohen Tempos der Tratschszene) leider um 15 Minuten zu früh.

Freitag, 4. Januar 2008

1. Folge: Schöne Beine

im Schauspielhaus Wien wird derzeit in zwölf Folgen Die Strudlhofstiege von Heimito von Doderer als "Fortsetzungstheaterstück" aufgeführt: 12 Abende, 12 Regisseure, 4 Schauspielerinnen und Schauspieler, 900 Seiten Roman.
Ich begleite, gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Heimito von Doderer-Gesellschaft, dieses Projekt in Form von kurzen Eindruckswiedergaben, die im
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Folge 1: Schöne Beine (Aufführung vom 4.1.2008)
Regie: Daniela Kranz
Seite 1-150

Die Strudlhofstiege von Heimito von Doderer ist in seiner Form ein sehr vielschichtiger Roman, der alles andere als für das Theater konzipiert oder geeignet ist. Doderer selbst hatte ja (wenn man einem bekannten Interview Glauben schenkt) ein tiefes Desinteresse am Theater. Dennoch sind die komischen und sprachwitzigen (im besten Sinne “humoristischen”) Elemente in Doderers Werken auf Schritt und Tritt zu finden, auch im Stiegenroman…

Die hier dargebotene “Umsetzung” (dieser Begriff führt schon in die Irre!) des vielschichtigen Romangebäudes schöpft mehr oder weniger “das Absurde ab” und übersteigert es alles andere als subtil. Da aber diese absurden Übersteigerungen weitgehend am Originaltext mitvibrieren, ist diese fast kabarettartige Darbietung für den Kenner und Liebhaber der Dodererschen Sprachqualitäten eine völlig neue Sichtmöglichkeit auf den Text (wenn er nicht von anderen Erwartungen getragen hingeht).

“Gerecht” wird diese Idee dem Text keinesfalls - aber warum sollte sie das auch? Ein unbefangener, lasziver Umgang mit der doch auch knisternden Erotik in Doderers Buch, ein jugendlicher, übersteigert grotesker Impetus in der Darstellung einiger zentraler Figuren hat bei aller Ferne vom eigentlichen Werk etwas sympatisches: Wenn die Szene im Zug mit Melzer und Laska “entgleist”, oder auch die Verwandlung von Melzer aus dem Major in den Amtsrat in der Tabakregie… das hat verdeutlichenden Charakter, der ganz aus dem Text entspringt. Sicher sind manche Einfälle sehr überzogen (etwa Rene Stangeler, der die Krapfen vertilgt und förmlich auszuzelt), doch reflektieren auch diese Vignetten auf einfühlsame Art und Weise die Originalzitate Doderers.
Warum das vorangestellte, wunderschöne Gedicht “Auf die Strudlhofstiege zu Wien” als Telefonanruf einlangt, und der Anrufer sich einmal (gespielterweise) verhaspelt, ist mir nicht ganz transparent geworden, abgesehen davon, dass somit sehr bald klar wird, dass es eben nicht um “Werktreue” geht. Wenn dieses Element eine Chiffre dafür sein soll, mag mir das auch recht sein.

Es sollte nicht darauf vergessen werden, dass “Majestätsbeleidigung” beinhaltet, dass es eine Majestät gibt - die als solche wahrgenommen wird. Ich glaube, dass dieser absurde, unverfrorene, freche und beschwingte Umgang mit Doderers Werk der Rezeption (durch neue Leser) gut tut und gut tun wird.

Wer sich also von dieser Reihe eine “ins Theater transportierte Fassung” erwartet, wird gezwungener Maßen enttäuscht sein.
Ich jedenfalls bin sehr froh, dass hier etwas anderes unternommen worden ist, und werde mir auch die weiteren Folgen ansehen.

Montag, 24. Dezember 2007

gerade jetzt

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Samstag, 1. September 2007

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ein blick auf der mitte der stiege, 27. august 2007

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für mit diesem weblog verlinkte andere seiten - und dort vielleicht auftauchende ungehörige photos, anzügliche texte oder gottes- und staatslästerliche gedanken und andere pisse & scheisse - bin ich nicht verantwortlich zu machen. bitte tragen sie ihre sorgen wo anders hin, danke.












Lieber für etwas gehasst werden, das man ist, als für etwas geliebt werden, das man nicht ist.
André Gide


weiterscrollen bringt nichts mehr. das wars :-)

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