david ramirer: Einsames Wandern

Einsames Wandern

Zuerst sind Gärten, und hinter den Zäunen
wohnt das runde Glück.
Dann kommen Felder und hockende Scheunen,
dann lass ich auch die zurück.

Nun ist noch hie und da ein Gehöft.
der Schritt geht vorbei, geht schwer.
Und der Hof und der Hund an der Kette schläft.
Menschen seh ich schon lange nicht mehr.

Jetzt ist schon Glück, wenn fernwo ein Baum
an der endlosen Straße steht.
Und immer müder wird der Traum,
der mit mir wandern geht.

Vielleicht komm ich abends an ein Haus.
Viel Hoffnung ist nicht.
Die Jugend ist hin, und der Stolz ist aus.
Die Luft geht rauh, und Schnee ist in Sicht.

Ich wünsche mir eine milde Nacht,
einen Himmel mit Sternen drin;
und daß ich morgen nicht mehr erwacht
und schon gestorben bin.

aus: Josef Weinheber, Vereinsamtes Herz, November 1935

david ramirer - Sonntag, 18. Januar 2009, 22:44

7 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks, Zitate, 2057 mal gelesen

rinpotsche - 18. Jan, 23:55

Wie

kommen Sie dazu, solch ein Gedicht zu zitieren? Geben Sie zu, dass Sie in meinem Blog kommentarlos gelesen haben und meine Empfindung zerkratzter Wiesen noch steigern wollten. Vergessen Sie nicht: unter Umständen stecken wir im selben Hemd!

antworten

david ramirer - 19. Jan, 07:16

guten morgen!

schreiben wie atmen - 19. Jan, 08:08

Danke

für die sensible Unterstützung meines derzeitigen winterdepressiven Innengeschehens. Wie hätte man einen kürzeren Weg finden können in diesen grauen, ermüdenden Schlammtag, der heute früh an meine Fenster matscht.
Immerhin haben Sie hiermit dazu beigetragen, dass ich heute wieder an keinem Bettler vorbeikomme ohne mildtätig zu werden. Nicht schlimm eigentlich, wenn meine Geldbörse nicht ohnehin schon an Magersucht litte.
Wie auch immer: schönen Tag der Herr.
Übrigens, kennen Sie Jakob Haringer? "Das Schnarchen Gottes" zum Beispiel? Nein? Sollten Sie aber.

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david ramirer - 19. Jan, 08:58

ich gebe es zu: ich komme an jedem bettler vorbei, ohne mildtätig zu werden.
auch heute.

danke für den literaturtipp.

Kudlmudl (Gast) - 19. Jan, 23:26

Schon nach der zeiten Zeile.........

war ich mir (fast) sicher, dass es von Weinheber ist.
DANKE David.
Grau in Grau - na ja, das gibt es ja jedes Jahr..........und es vergeht auch wieder. Inzwischen werden die Tage schon wieder merkbar länger.
Und wenn man die Gelegenheit hat, die Natur hautnah in ihrem Winterschlaf zu beobachten, dann kann man sich auch liebevoll an ihrem Schnarchen erfreuen - dem Knarren in den blattlosen Zweigen dort, dem lauten Tosen der windgepeitschen Wellen hier.

Wart nur eine Weilchen
bald sie erwacht
in neuer Pracht
bald blüht das erste Veilchen.

DTH

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david ramirer - 20. Jan, 00:18

rein malerisch-optisch gesehen liebe ich ja die "kalte" jahreszeit, weil sie der phantasie eines malers viel mehr raum gibt, als der farbig doch penetrante frühling und sommer. gerade das "grau", oder auch das "weiss" in diesen tagen scheint wie eine grundierte leinwand auf farbige ideen zu warten. so manchen maler (wie z.b. egon schiele, oder auch giorgio morandi) zünden vor allem die situationen an, wo etwas fehlt und nicht die, wo viel ist...

dieses herrliche weinheber-gedicht ist in seiner unbarmherzig folgerichtigen auslotung der einsamkeit als klarer weg in die wahrhaftige ferne ein musterbeispiel für emotionale verdichtung in nur sehr wenigen zeilen und daher des zitierens wert.

Ruben (Gast) - 21. Jan, 21:30

Ein sehr hübsches Gedicht. Ich möchte es jetzt nicht wagen, dass ich mir denke, was Sie sich bei diesem Gedicht gedacht haben. (Das ist ein sehr komischer Satz, aber ich glaube jeder weiß was ich meine). Es ist auf der einen Seite wie ich finde traurig und auf der anderen Seite ist es voller Hoffnung. Ich finde es sehr gut und ich denke, dass man es einfach auf sich wirken lassen sollte. Man braucht gar nicht näher darauf eingehen. Aber es ist einfach nur gut.

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