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das war das ende. wirklich alles war nun aus, daher erhob sich der letzte archivar von seinem arbeitsplatz und griff das erste mal in seinem leben zu dem schlüssel mit dem roten plastikschildchen, im vorsatz, ihn nun auch zu benutzen. so lange hatte er ihn sorgsam versteckt an seinem leib getragen, ihn immer wieder gespürt. er riskierte einen kurzen blick zurück an seinen arbeitsplatz, als er die türe von außen zuzog; die vielen regale, die er in seinem leben vollgestopft hatte, sahen aus wie immer, nichts war anders. als der schlüssel einrastete und dabei den bisher niemals betätigten zusatzbolzen erreichte, löste dieser sofort einen komplizierten mechanismus aus, der das ganze archiv strategisch zerfallen ließ. alle dokumente wurden durch etliche in der luft herumwirbelnde rasiermesserscharfe klingen zu kubistischem konfetti, nachdem sich die regale an ihren neuralgischen sollbruchstellen dominoeffektartig zerlegt hatten und die papierbündel flatternd in den raum ergossen. bald war nur noch ein meer aus holz und papier übrig, das den boden deckte. der ehemalige archivmeister hörte diese vorgänge hinter sich nur schwach, versenkte noch in viele andere abteilungstürenschlösser diesen fatalen schlüssel. hier einen hebel umlegen, dort einen knopf drücken. in manchen abteilungen musste mühsam ein chymisches feuer gelegt oder auch mit dem hochdruckwasserschlauch alles durch ein frisch geöffnetes loch in der gebäudewand hinausgeschwemmt werden. erst nach vielen stunden kam er endlich in die haupthalle. dort aktivierte der schlüssel eine letzte konsole im boden, die sich langsam erhob und – für jede abteilung, knopf für knopf – ermöglichte, die einzelnen räume hyperdimensional wegzufalten. nun war nur noch die halle übrig. bald schloss der ehemalige archivar das haupttor von außen. das gebäude war verschwunden, als ob es nie da gewesen wäre. er stand am toten ende eines weges in der nächtlichen anlage des parks. er drehte sich um und ging zu den vielen anderen gebäuden, zu denen der schlüssel noch passte.
(aus: 2015 - fuck me tender/Mai)
(aus: 2015 - fuck me tender/Mai)
david ramirer - Freitag, 18. Mai 2018, 09:44
andererseits kann ich natürlich verstehen, warum manche sich daran klammern, aber ich brauch diese kalmierende hoffnung nicht.
wie wir uns in diesem unverständnis orientieren, ist eine ganz persönliche sache. die einen orientieren sich an das märchen von gott, andere klammern sich an den rationalismus, einige wollen beides zusammenbringen - ich schätze, die allermeisten interessieren sich nicht wirklich für diesen philosophischen kram. wozu sich über dinge den kopf zerbrechen, die man a) nicht ändern kann, und die einem b) unter umständen das flotte leichte leben vermiesen. es kommt sowieso, wie`s kommt. es macht nichts, wenn wir uns wie die idioten aufführen, weil wir uns in bester gesellschaft befinden. natürlich gibt es schon gescheite und sogar weise leute. nur hört man nicht viel von ihnen. sowieso nichts neues, was nicht schon die gescheiten und weisen zu allen zeiten wussten. hochmuth kommt vor dem fall. das in etwa ist unser schicksal. dazu brauche ich maximal eine gesunde gehirnzelle, um diesen umstand zu erkennen.
wo war ich stehengeblieben? ach ja... es geht wirklich nichts verloren, david. ist diese vorstellung nicht erschreckend? der ganze mist, in dem wir uns wie die schweine suhlen, ist nicht auszulöschen. er verblasst lediglich und macht anderem mist platz..., und auch dieser mist bleibt ewig in dem informationsgebäude von raum und zeit gespeichert. aber was ist schon ewig? das können wir uns mit unseren schweineköpfen nicht vorstellen.
die physik sagt, dass energie nicht verloren gehen kann, sondern nur umgewandelt wird, und das mag schon so sein.
wenn informationen nun auch energie sind, dann können diese natürlich auch nicht verloren gehen - aber es gelingt mir nicht zu sehen, welchen nutzen die tatsache für mich haben sollte, dass z.b. die buchstaben auf einem blatt papier in anderer form immer noch vorhanden sind, wenn ich das blatt papier verbrenne.
alles was geschieht, ist geschehen, und bleibt auch so stehen - wenn man einmal die theorien der paralleluniversen und alternativer zeitstränge in der science fiction belässt.
damit kann ich auch gut leben - denn irgendetwas ändern will ich ohnehin nicht.
ob alles für irgendeine instanz (nenn sie gott, oder wie auch immer...) abrufbar ist, bezweifle ich.
wie ich schon einmal ausführte: ich bin die instanz, die abruft, und zwar jetzt, hier.
das genügt mir auch, denn hier sind ja auch all die tollen dinge, die ich erkennen kann: bach z.b., oder meinen kater bruce.
warum darüber hinaus denken? ... ich weiß schon, mit dem denken barrieren durchbrechen um weiterzukommen... das mag für andere wesentlich sein.
für mich nicht mehr. ich bin gerne hier und will nirgendwo anders sein (auch nicht wirklich zur lebenszeit bachs leben, denn dann wäre die chance ihm und seiner musik zu begegnen geringer als hier, denke ich mal).
hier habe ich die chance, mich bachs musik so zu nähern, wie ich das für richtig halte.
verloren geht vor allem das, was mich nicht interessiert... und das ist auch gut so!
ich weiß schon, dass mein solipsistisches weltbild ziemlich seltsam wirkt und überhaupt nicht altruistisch ist - aber gerade im angesicht der sterblichkeit und der endlichkeit kann ich mir kaum etwas passenderes für mich vorstellen.
als künstler/dichter versenke ich mich in mich und damit auch in meine umwelt. auf meine weise. andere auf ihre weise.
so, wie ich das z.b. mit bach mache. oder mit bruce... da gibt es keine filter.
dabei ist er ein ziemlich großer kater mit enormer kraft (ca. doppelt so schwer wie milka es war)... aber er setzt seine kraft und seine krallen so gut wie nie ein, weil er so friedlich ist.