kunst ist wo anders...
schon seit einiger zeit suche und finde ich kunst nicht mehr dort, wo ich sie früher vermutet habe. in meinen früheren jahren dachte ich, ein besuch in einer galerie oder einem museum ermöglicht es mir, bildende kunst zu entdecken, also das, was in der gegenwart in dieser richtung gemacht wird. klar, wenn ich alte kunst oder auch alte meister sehen will, dann gehe ich in die albertina, oder auch ins kunsthistorische museum, da hängen die gewohnten schwarten in alter frische herum, bilder, die ja in gewisser weise niemals altern und auch nach 100 oder 200 jahren noch frisch wirken in ihrer dichte und tiefe. mit der zeitgenössischen kunst ist es schon ein wenig komplizierter. gute bilder sind sehr rar geworden, viel zu stagnativ ist die malerei unterwegs, es wird kaum innovatives geleistet, die meisten sogenannten malerinnen und maler betreten alte bahnen und irren zwischen alten formen herum, verwechseln malerei mit beschäftigungstherapie und nicht wenige lassen die optionen der zweiten dimension hinter sich, bevor sie deren optionen auch nur ansatzweise erkannt haben. das hat sicher mit einem niedergang in der qualität der diesbezüglichen ausbildungsstätten zu tun, aber darin findet sich der grund, warum ich so selten in ausstellungen gehe. zuletzt war ich bei der albin egger-lienz-ausstellung in der sammlung leopold, und das war ein echtes erlebnis. gleichzeitig macht es mich traurig, weil auch die bilder von egger-lienz wenig an raum für nachfolgende künstler offenlassen, irgendwie drücken viele von den malern des letzten jahrhunderts mit ihren bildern die türe zu für die nachkommenden, es wird immer schwerer in diesen klassischen formen etwas in sich stimmiges zu hinterlassen. auch in den bildern von egger-lienz ist dieser druck zu spüren, es kann aber bei ihm auch schön gesehen werden, dass er dem druck standgehalten hat, er es (gerade noch) geschafft hat, maler zu sein. ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich in ausstellungen von jungen künstlern war und einfach nicht verstanden habe, wie so etwas geschehen kann. so wenig interesse für die eigenen bilder, so wenig liebe zu den optionen der fläche, zu wenig tiefe. so viel unbeendetes, das nicht einmal angemessen begonnen wurde. "auf verlorenem posten" - das ist der titel eines großartigen bildes meines mentors wolfgang winter - so sind enorm viele gegenwärtige künstler; vor allem die, die ihre produkte vorschnell in den galerien platzieren.
aber kunst ist wo anders, wenn ich mich umschaue. ich sehe zum beispiel kunst (und ich bin immer noch bei der bildenden kunst) in comics. oder nennt das zeug meinetwegen heute "grafic novels", dort wird handwerklich, aber auch inhaltlich an grenzen gegangen, und auch solche überschritten. kein wunder, dass es der abgehobenen, völlig weltfremden kunstgeschichtefraktion in den hochschulen und den universitäten noch immer nicht gelingt, diese bildende kunst ernst zu nehmen. nein, klar: es muss ja alles den klassischen prinzipien entsprechen, bildende kunst muss an den wänden hängen, oder als installation einen raum vollmüllen, in gedruckter form, noch dazu mit einer unzahl an konsumenten kann das nichts ernstzunehmendes sein. dürer hat holzschnitte gemacht, weil er sie unters volk bringen wollte, war also einer der wegbereiter des modernen comics, lange vor wilhelm busch, der abgesehen von seinen formidablen ersten bildergeschichten ein völlig ernstzunehmender maler und zeichner war. heutzutage gibt es im bereich der comics eine unzahl an erstklassigen zeichnern und malern, fast unmöglich, sie alle zu überschauen. findet man etwas von ihnen in den museen? nein.
und, darüber hinaus: selbst der weltenraum der comics sieht alt aus gegenüber den dingen, die derzeit in den wirklich innovativen computerspielen auftauchen. wenn ich mich im gtaIV vorgänger gta san andreas durch eine virtuelle landschaft bewegt habe, die mehrere quadratkilometer groß ist und neben drei städten, wäldern, einer wüste und flüssen auch passanten und fabrikshallen und flughäfen beherbergte, dann erinnerte ich mich unter anderem an den turmbau zu babel von bruegel, der auch in einem umfang lebendig ist, dass man meint, in das bild eintreten zu können.
moderne computerspiele, wie eben gtaIV, sind in der tradition der klassischen künste zu sehen. ein künstler der klassik hat monate und jahre darauf verwendet, in einem bild eine realität zu erschaffen, die einer eingehenden prüfung standhalten kann - um so mehr als diese welten erfunden waren. nicht selten wurden werkstätten zum erschaffen dieser welten mitinvolviert, für bestimmte teile des bildes spezialisten herangezogen; die grobplanung lag meist in den händen des "meisters", doch die details wurden an teams übertragen. an spielen wie gtaIV wirkten bis zu 1000 personen mit, und ein kurzer rundgang in der virtuellen stadt "liberty city" zeigt auch, warum das notwendig ist.
eine so tiefgehende, so lebendige, so spielerisch lockere und dennoch emotional aufwühlende parodie auf die realität des amerikanischen großstadtwahnsinns hat es seit den bildern von robert rauschenberg oder andy warhol nicht mehr gegeben. ich würde sogar so weit gehen, dass erst die leute von rockstar das eingelöst haben, was die pop art versprochen hat: ein verstörendes mahnmal für amerika, das in genau dem selben ausmaß eine huldigung wie eine kritik ist.
mir ganz persönlich kommen die botschaften dieses spieles weit näher wie alle kaum vernehmbaren modernen botschaften in den museen, die sich an die hüllen der klassischen überbleibsel klammern ohne das wesen von kunst mitgenommen zu haben: es gilt, grenzen zu durchbrechen, nicht sie meilenweit ausser acht zu lassen und alles erklären zu wollen.
wenn es kunst gibt, die in den bann zieht, die verstört, die neue perspektiven eröffnet - dann ist sie heutzutage wo anders.
das war aber eigentlich immer schon so...
aber kunst ist wo anders, wenn ich mich umschaue. ich sehe zum beispiel kunst (und ich bin immer noch bei der bildenden kunst) in comics. oder nennt das zeug meinetwegen heute "grafic novels", dort wird handwerklich, aber auch inhaltlich an grenzen gegangen, und auch solche überschritten. kein wunder, dass es der abgehobenen, völlig weltfremden kunstgeschichtefraktion in den hochschulen und den universitäten noch immer nicht gelingt, diese bildende kunst ernst zu nehmen. nein, klar: es muss ja alles den klassischen prinzipien entsprechen, bildende kunst muss an den wänden hängen, oder als installation einen raum vollmüllen, in gedruckter form, noch dazu mit einer unzahl an konsumenten kann das nichts ernstzunehmendes sein. dürer hat holzschnitte gemacht, weil er sie unters volk bringen wollte, war also einer der wegbereiter des modernen comics, lange vor wilhelm busch, der abgesehen von seinen formidablen ersten bildergeschichten ein völlig ernstzunehmender maler und zeichner war. heutzutage gibt es im bereich der comics eine unzahl an erstklassigen zeichnern und malern, fast unmöglich, sie alle zu überschauen. findet man etwas von ihnen in den museen? nein.
und, darüber hinaus: selbst der weltenraum der comics sieht alt aus gegenüber den dingen, die derzeit in den wirklich innovativen computerspielen auftauchen. wenn ich mich im gtaIV vorgänger gta san andreas durch eine virtuelle landschaft bewegt habe, die mehrere quadratkilometer groß ist und neben drei städten, wäldern, einer wüste und flüssen auch passanten und fabrikshallen und flughäfen beherbergte, dann erinnerte ich mich unter anderem an den turmbau zu babel von bruegel, der auch in einem umfang lebendig ist, dass man meint, in das bild eintreten zu können.
moderne computerspiele, wie eben gtaIV, sind in der tradition der klassischen künste zu sehen. ein künstler der klassik hat monate und jahre darauf verwendet, in einem bild eine realität zu erschaffen, die einer eingehenden prüfung standhalten kann - um so mehr als diese welten erfunden waren. nicht selten wurden werkstätten zum erschaffen dieser welten mitinvolviert, für bestimmte teile des bildes spezialisten herangezogen; die grobplanung lag meist in den händen des "meisters", doch die details wurden an teams übertragen. an spielen wie gtaIV wirkten bis zu 1000 personen mit, und ein kurzer rundgang in der virtuellen stadt "liberty city" zeigt auch, warum das notwendig ist.
eine so tiefgehende, so lebendige, so spielerisch lockere und dennoch emotional aufwühlende parodie auf die realität des amerikanischen großstadtwahnsinns hat es seit den bildern von robert rauschenberg oder andy warhol nicht mehr gegeben. ich würde sogar so weit gehen, dass erst die leute von rockstar das eingelöst haben, was die pop art versprochen hat: ein verstörendes mahnmal für amerika, das in genau dem selben ausmaß eine huldigung wie eine kritik ist.
mir ganz persönlich kommen die botschaften dieses spieles weit näher wie alle kaum vernehmbaren modernen botschaften in den museen, die sich an die hüllen der klassischen überbleibsel klammern ohne das wesen von kunst mitgenommen zu haben: es gilt, grenzen zu durchbrechen, nicht sie meilenweit ausser acht zu lassen und alles erklären zu wollen.
wenn es kunst gibt, die in den bann zieht, die verstört, die neue perspektiven eröffnet - dann ist sie heutzutage wo anders.
das war aber eigentlich immer schon so...
david ramirer - Donnerstag, 29. Mai 2008, 15:10