kunst ist wo anders...

schon seit einiger zeit suche und finde ich kunst nicht mehr dort, wo ich sie früher vermutet habe. in meinen früheren jahren dachte ich, ein besuch in einer galerie oder einem museum ermöglicht es mir, bildende kunst zu entdecken, also das, was in der gegenwart in dieser richtung gemacht wird. klar, wenn ich alte kunst oder auch alte meister sehen will, dann gehe ich in die albertina, oder auch ins kunsthistorische museum, da hängen die gewohnten schwarten in alter frische herum, bilder, die ja in gewisser weise niemals altern und auch nach 100 oder 200 jahren noch frisch wirken in ihrer dichte und tiefe. mit der zeitgenössischen kunst ist es schon ein wenig komplizierter. gute bilder sind sehr rar geworden, viel zu stagnativ ist die malerei unterwegs, es wird kaum innovatives geleistet, die meisten sogenannten malerinnen und maler betreten alte bahnen und irren zwischen alten formen herum, verwechseln malerei mit beschäftigungstherapie und nicht wenige lassen die optionen der zweiten dimension hinter sich, bevor sie deren optionen auch nur ansatzweise erkannt haben. das hat sicher mit einem niedergang in der qualität der diesbezüglichen ausbildungsstätten zu tun, aber darin findet sich der grund, warum ich so selten in ausstellungen gehe. zuletzt war ich bei der albin egger-lienz-ausstellung in der sammlung leopold, und das war ein echtes erlebnis. gleichzeitig macht es mich traurig, weil auch die bilder von egger-lienz wenig an raum für nachfolgende künstler offenlassen, irgendwie drücken viele von den malern des letzten jahrhunderts mit ihren bildern die türe zu für die nachkommenden, es wird immer schwerer in diesen klassischen formen etwas in sich stimmiges zu hinterlassen. auch in den bildern von egger-lienz ist dieser druck zu spüren, es kann aber bei ihm auch schön gesehen werden, dass er dem druck standgehalten hat, er es (gerade noch) geschafft hat, maler zu sein. ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich in ausstellungen von jungen künstlern war und einfach nicht verstanden habe, wie so etwas geschehen kann. so wenig interesse für die eigenen bilder, so wenig liebe zu den optionen der fläche, zu wenig tiefe. so viel unbeendetes, das nicht einmal angemessen begonnen wurde. "auf verlorenem posten" - das ist der titel eines großartigen bildes meines mentors wolfgang winter - so sind enorm viele gegenwärtige künstler; vor allem die, die ihre produkte vorschnell in den galerien platzieren.
aber kunst ist wo anders, wenn ich mich umschaue. ich sehe zum beispiel kunst (und ich bin immer noch bei der bildenden kunst) in comics. oder nennt das zeug meinetwegen heute "grafic novels", dort wird handwerklich, aber auch inhaltlich an grenzen gegangen, und auch solche überschritten. kein wunder, dass es der abgehobenen, völlig weltfremden kunstgeschichtefraktion in den hochschulen und den universitäten noch immer nicht gelingt, diese bildende kunst ernst zu nehmen. nein, klar: es muss ja alles den klassischen prinzipien entsprechen, bildende kunst muss an den wänden hängen, oder als installation einen raum vollmüllen, in gedruckter form, noch dazu mit einer unzahl an konsumenten kann das nichts ernstzunehmendes sein. dürer hat holzschnitte gemacht, weil er sie unters volk bringen wollte, war also einer der wegbereiter des modernen comics, lange vor wilhelm busch, der abgesehen von seinen formidablen ersten bildergeschichten ein völlig ernstzunehmender maler und zeichner war. heutzutage gibt es im bereich der comics eine unzahl an erstklassigen zeichnern und malern, fast unmöglich, sie alle zu überschauen. findet man etwas von ihnen in den museen? nein.
und, darüber hinaus: selbst der weltenraum der comics sieht alt aus gegenüber den dingen, die derzeit in den wirklich innovativen computerspielen auftauchen. wenn ich mich im gtaIV vorgänger gta san andreas durch eine virtuelle landschaft bewegt habe, die mehrere quadratkilometer groß ist und neben drei städten, wäldern, einer wüste und flüssen auch passanten und fabrikshallen und flughäfen beherbergte, dann erinnerte ich mich unter anderem an den turmbau zu babel von bruegel, der auch in einem umfang lebendig ist, dass man meint, in das bild eintreten zu können.
moderne computerspiele, wie eben gtaIV, sind in der tradition der klassischen künste zu sehen. ein künstler der klassik hat monate und jahre darauf verwendet, in einem bild eine realität zu erschaffen, die einer eingehenden prüfung standhalten kann - um so mehr als diese welten erfunden waren. nicht selten wurden werkstätten zum erschaffen dieser welten mitinvolviert, für bestimmte teile des bildes spezialisten herangezogen; die grobplanung lag meist in den händen des "meisters", doch die details wurden an teams übertragen. an spielen wie gtaIV wirkten bis zu 1000 personen mit, und ein kurzer rundgang in der virtuellen stadt "liberty city" zeigt auch, warum das notwendig ist.
eine so tiefgehende, so lebendige, so spielerisch lockere und dennoch emotional aufwühlende parodie auf die realität des amerikanischen großstadtwahnsinns hat es seit den bildern von robert rauschenberg oder andy warhol nicht mehr gegeben. ich würde sogar so weit gehen, dass erst die leute von rockstar das eingelöst haben, was die pop art versprochen hat: ein verstörendes mahnmal für amerika, das in genau dem selben ausmaß eine huldigung wie eine kritik ist.
mir ganz persönlich kommen die botschaften dieses spieles weit näher wie alle kaum vernehmbaren modernen botschaften in den museen, die sich an die hüllen der klassischen überbleibsel klammern ohne das wesen von kunst mitgenommen zu haben: es gilt, grenzen zu durchbrechen, nicht sie meilenweit ausser acht zu lassen und alles erklären zu wollen.

wenn es kunst gibt, die in den bann zieht, die verstört, die neue perspektiven eröffnet - dann ist sie heutzutage wo anders.
das war aber eigentlich immer schon so...
walküre - 2. Jun, 16:29

.


david ramirer - 3. Jun, 09:11

oh, ein punkt :-)
walküre - 3. Jun, 16:05

Genau.

Und selbjeniger welchener besagt soviel wie:
"Mir hat dein Eintrag sehr gut gefallen und ich finde ihn so zutreffend/gelungen/witzig/berührend (Nichtzutreffendes bitte streichen, Anm. von Walküre), dass ich der Meinung bin, dass sich alles, was ich dazu schreiben könnte, im Vergleich dazu liest wie gequirlte Schei*e, weshalb ich einen wörtlichen Kommentar unterlasse, dir jedoch mitteilen möchte, dass dein Eintrag bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat."

Alles klar ? :-)
david ramirer - 3. Jun, 16:21

danke dir für die klärung, freue mich sehr :-)
parmenides - 17. Jun, 23:23

Seltsam

erstens überfordert mich ihr Text. (viel zu lange)
zweites finde ich, dass sie etwas suchen, was Sie nicht wirklich finden können. 'Kunst' ist eine Erscheinung, die dem Mittelalter gefolgt, und der Moderne vorausgegangen ist.
Es gibt keine KUNST.
Sophokles hätte sich nicht als Künstler bezeichnet, ebenso wenig wie ein Buchdrucksetzer, ebenso wenig wie ein Mitarbeiter des Wiener Stadtgarternamtes; MA ich hab's vergessen.
Dennoch machen sie was gemeinhin als Kunst bezeichnet wird: etwas schönes.
Schön ist seit Beethoven erweitert auf: etwas, dass uns ob seines Daseins (und nicht ob seines Verwendungszweckes) gefällt.
Also auch hässlich/agressive/widerwärtige Dinge, können uns in ihrem Dasein gefallen, und ob dessen gewollt werden.
Das das auch mal
KUNST
war ist eine historische Erscheinung (die ein wenig länger angedauert hat als die bürgerliche Gesellschaft)
Warum sie suchen?
Was so gefunden wird ist ein soziales Konstrukt.
Dieser Beitrag ist
eigentlich auch schon viel
zu lange.

david ramirer - 18. Jun, 08:54

kunst und schönheit sind keinesfalls deckungsgleich, wenngleich ich der auffassung bin, dass die fähigkeit, schönes wahrzunehmen, erst auf dem boden der kunst erwachsen ist.

wenn man meinen text genau betrachtet (was ob seiner länge sicher viel verlangt ist :-) ) wird man merken, dass ich kunst (von der ich behaupte, dass es sie sehr wohl gibt) wo anders finde.
meine suche ist nicht sehr verzweifelt und nicht erfolglos...
Reh Volution - 18. Jun, 11:07

Das Problem bei gta ist die körperliche Starre und die induzierte Aggressivität.
Gewalt
In so einer multiple choice Welt fühle ich mich nicht mehr wohl.
Der Raum (der virtuelle Käfig), ist zwar groß und mühevoll erstellt, aber dennoch ein Käfig.
Bei Comics geht ihre Theorie auf ...

david ramirer - 18. Jun, 12:33

ich sehe das etwas anders: beim konsumieren von gta ist mehr körperliche aktivität zu beobachten als etwa bei einem besuch in der oper oder in einem klassischen konzert - vom ungesunden stundenlangen herumstehen vor bildern in museen einmal abgesehen. die spannung, die beim erfüllen der missionen auch in den körper übergeht um die lösungen zu finden für die einzelnen aufgaben erfordert ein hohes maß an konzentration, hingabe und beschäftigung mit der gebotenen welt (der umgebung) in der sie stattfinden.

ich möchte keinesfalls die im spiel (bzw. in der im spiel erzählten geschichte!) vorkommende gewalt und aggressivität in ihrer problematik heruntermachen: doch auch diese spiegelt nur schwach die gewalt in unserer realen welt und liegt weit unter dem, was in den durchschnittlichen action-filmen zu sehen ist. neben dieser gewalt besteht in diesem spiel (diesem käfig, in ihrer definition) auch ein großer anteil an frieden: eine auch ohne protagonist dahinlebende stadt mit passanten, witterung, physik und gebäuden - eben dieser enorme anteil an "schönheit", den auch die reale welt bietet.
es ist gerade dieser frei begehbare "realismus", der mich so beeindruckt.

dass gta noch nicht das ende der fahnenstange ist, ist mir bewusst, aber mir gefällt die hemmungslose qualität und der enorme einsatz der umsetzenden. das hat etwas von dem, was ich mir in der kunst erwarte.
Reh Volution - 7. Jul, 00:57

hmmm

GTA  versus  "Kunst zu machen, Künstlerin oder Künstler zu sein, ist eine Frage der Existenz. So wie ein Baum seine erste Teilung als einschneidenden Moment empfinden muß, als eine Initiation, so ist es auch bei einer jeden, nicht nur künstlerischen, Existenz entscheidend, diesen Moment zu spüren und heiligzuhalten. Nur dann nämlich kann sich diese existenzielle Erfahrung eventuell auf die Bilder übertragen, nur dann kann auch die Verantwortung getragen werden, die notwendig ist, wenn Bilder etwas bedeuten sollen. Nur dann hat Kunst Seele."
David Ramirer 2000

david ramirer - 7. Jul, 07:34

das ist zwar ein kontrast, aber kein widerspruch.

:-)
Reh Volution - 7. Jul, 12:05

Eine Verantwortung in dem von Ihnen geschilderten Kontext bei GTA erschließt sich mir beim besten Willen nicht.
Ich bleibe dabei :
Bei GTA handelt es sich um ein Gewalt verherrlichendes multiple choice Räumchen.
Das dort vermittelte Frauenbild ist auch fraglich, zumal das Spiel von Kindern und Jugendlichen gespielt wird.
Reh Volution - 7. Jul, 12:22

p.s.

Die Mühe, die in der Programmierung steckt und die sorgfältig ausgesuchte Musik, den coolen soundtrack, stelle ich nicht in Frage.
Unterhaltungswert für Menschen ab 16 J. ist im hohen Preis inbegriffen.
Verantwortung, Seele, Kunst sind nur die falschen tags ...
david ramirer - 7. Jul, 13:17

das in gta "vermittelte frauenbild" ist keines, das in gta erfunden wurde: es ist noch weit krasser in der wirklichen werbewelt und den medien, vor allem in amerika, aber die tendenz, frauen als marionetten der mode zu zeigen, ohne jeden rest selbstwert, der lebt schon auch stark in europa.
die derzeitige werbewirklichkeit wird auch unzensoriert auf kinder und jugendliche losgelassen; gtaIV ist nur für erwachsene gedacht.
wirklich gefährlich ist m.e. für die kinder der konsum der werbung, der derzeitig existierenden gewalt verherrlichenden medien, die mit diesen gewaltdarstellungen wirklich schwere kohle machen und überdies die wahrnehmung nachhaltig prägen - weil sie vorgeben, "real" zu sein.
in kunstwerken wie gtaIV (oder auch in verantwortungsbewusst gestalteten comics, gemälden und musikstücken) wird die gewalt (neben vielen anderen themen) aufgegriffen und als teil unserer welt zum teil ironisch thematisiert, also beleuchtet. ich kann in gtaIV keinesfalls etwas "gewalt verherrlichendes" finden.

wie viele beispiele gibt es doch aus der bildenden kunstgeschichte, in denen gewalt und brutalität offensiv thematisiert werden: ich denke da z.b. an francis bacon und seinen papst innocence, oder an etliche illustrationen von doré, schlachtengemälde noch und nöcher... das hängt alles schön in den museen und ist den kinderaugen jederzeit zugänglich, ohne altersbegrenzung, glücklicherweise. ich bin gegen jede zensur.

auch wenn gtaIV, wie sie richtig sagen, ein"multiple choice räumchen" ist - es bewegt sich, was die gewalt betrifft, in einem viel harmloseren bereich als die harmlosesten horrorfilme es tun.

es ist oft für den künstler nicht einfach, die verantwortung für seine werke zu übernehmen: aber es ist essentiell.
bei gtaIV ist es sicher nicht einfach. aber es ist meineserachtens hochnotwendig, weil dieses spiel neue maßstäbe setzt - und die setzt es sicher nicht unter dem tag "gewalt verherrlichung" - denn da gibt es wirklich abstossende beispiele, wo die gewalt selbstzweck ist. das trifft auf gta nicht zu.
Reh Volution - 7. Jul, 15:45

Bei GTA führt man als Bandildo, Krieg gegen alles was sich bewegt.
Bei äußerst disziplinierter Spielführung nur gegen die Menschen, die laut Auftrag umgebracht werden müssen. Das da noch Geschicklichkeitsspiele eingeflochten werden, will ich nicht verschweigen -
Sich möglichst die effektivsten Waffen freizuspielen gehört ebenso dazu, wie die Eigeninszenierung von Amokläufen bzw. Kleinkriegen.
Ich sehe da schon gewisse Verherrlichungstendenzen.
david ramirer - 7. Jul, 17:01

so gesehen, ja: aber ein krimi ist dann auch gewaltverherrlichend, und die abendnachrichten ebenso.

ich sehe auch die story, die geschichte im hintergrund: und die ist in gtaIV um einiges interessanter als in so mancher hollywood-produktion. da ist am ende auch keine rede davon, dass die gewalt zu irgendetwas positivem geführt hat. das unterscheidet gtaIV von anderen spielen dieser sorte (auch von den vorgängern der serie).
schon im vorgänger "gta san andreas" war die story emotional sehr aufwühlend, aber am ende gab es ein "happy end". das gibt es in gtaIV nicht, die moralische tragweite der handlungen wird am ende noch einmal so richtig deutlich: die figur niko bellic ist kein bandito, sie ist ein am amerikanischen traum gescheiterter imigrant, der verliert, so oder so.

dass das setting durchaus brutal ist, dem stimme ich zu. aber das ist - wie gesagt - keine besonderheit heutzutage.
Reh Volution - 7. Jul, 18:03

Wofür wird hier Verantwortung übernommen ?
Haben Sie Mitleid mit der Figur des Niko Bellic und ist das dann Seele ?
Welche Antwort gibt das Spiel auf Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung ?
Nur weil etwas spiegelt ist es doch noch lange nicht beseelt oder gar Verantwortungsbewusst -
david ramirer - 7. Jul, 21:49

zur letzten aussage:
ich stimme unumwunden zu. ein spiegel alleine ist noch nicht verantwortungsbewusst. der umgang mit einem spiegel sollte aber von verantwortungsbewusstsein (und, wo möglich, seele) geprägt sein (siehe den wahnsinn, der in unserer gegenwart mit dem eigenen spiegelbild getrieben wird. da ist wahrlich von seele nur noch wenig zu finden).

zu den anderen drei fragen:
Wofür wird hier Verantwortung übernommen ?
die gestalter des spieles haben (wie die gestalter jedes kunstwerkes) die volle verantwortung dafür, dass das kunstwerk in sich funktioniert und jeder seiner einzelteile zueinander in stimmigem verhältnis stehen - aber auch dafür, dass das ökonomische gleichgewicht zwischen aussage und aufwand stimmt. weiters baut jedes kunstwerk am technologisch-spirituellen weitergehen unserer kulturellen weiterentwicklung weiter. gtaIV erfüllt hier unschätzbares: so eine liebevolle und detailreiche aktiv begehbare nachschöpfung einer stadt gab es in der kunstgeschichte bislang nicht. insoferne setzt es neue maßstäbe: DAS ist nur mit verantwortungsvoller hingabe möglich.

Haben Sie Mitleid mit der Figur des Niko Bellic und ist das dann Seele ?
ich habe mitgelitten mit der figur des niko bellic, und mich hat die story wahrhaft berührt. das passiert mir manchmal auch bei guten filmen, dass ich am ende mit den tränen ringe, weil der emotionale bogen des schlußakkordes so stimmig ist.
das ist aber nicht die seele, von der ich rede. die seele liegt bei diesem spiel in der virtuellen stadt rund um die ganze story, in dem "sandkasten", wie er so abfällig genannt wird. das lebendige an liberty city könnte der träger von hunderten solcher geschichten sein. das beeindruckt mich; ich orte die seele dieses kunstwerkes dort: im multifabulativen setting.

Welche Antwort gibt das Spiel auf Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung ?
in der geschichte, die erzählt wird, kommen die unterschiedlichsten immigranten vor: osteuropäische kriegsflüchtlinge (die erst seit kurzem da sind), russische und italienische mafia (die schon länger in der stadt sind), irische einwanderer (denen früher die stadt gehörte), farbige rastas... alle versuchen auf ihre art sich durchzuschlagen und kommen sich dabei natürlich in die quere. niko bellic gerät von einer kampflinie zur anderen und versucht zwischen all diesen verfeindeten gruppen seinen weg zu gehen, hat dabei selbst auch etwas aus dem krieg aufzuarbeiten: er wurde (in bosnien? den ort erfährt man nicht) zeuge und opfer eines verrates und versucht den zu finden, der ihn verraten hat. das zieht sich als ein roter faden durch die handlung. bellic kommt also aus dem krieg, er ist es gewohnt im auftrag mächtiger leute zu töten. sein traum, in liberty city neu zu beginnen, platzt recht schnell.
das spiel gibt insoferne keine antwort auf die beiden begriffe, erzählt eher eine geschichte von hoffnung und deren enttäuschung. die im spiel vorkommenden figuren unterschiedlicher herkunft werden alle auf ihre art menschlich beleuchtet, da gibt es keine platten nur eindimensionalen charaktere.
in einigen nebenhandlungssträngen, die abseits der haupthandlung eingeflochten sind, begegnet niko bellic anderen menschen, die auf die eine oder andere art und weise enttäuscht vom leben sind: da gibt es drogensüchtige, die endlich vom stoff loskommen möchten, betrogene ehemänner und andere immigranten, die von aufrechten amerikanern um ihr bisschen geld geprellt werden, niko greift da dann helfend ein.
der ironische unterton all dieser ereignisse überlässt es (wie in jedem für mich beeindruckenden kunstwerk) dem betrachter, die letzte erfahrung als wurzel aus dem erfahrenen zu ziehen. das spiel gibt nicht nur antworten, es stellt zum teil unangenehme fragen, die nur jeder spieler für sich beantworten kann.

denn für eines kann kein kunstwerk die volle verantwortung übernehmen: dafür, was der betrachter daraus macht.
Reh Volution - 8. Jul, 13:49

eine perverse Ausgeburt politischer Macht

Ihr ungebrochener Enthusiasmus spricht sehr für die Qualität des Spieles.
Nicht Kunst sondern Handwerk scheint mir hier lobenswert.
Funktionsfähigkeit ist eine Form von Verantwortung die sich mir auf Anhieb zumindest moralisch nicht erschließt >>> Gaskammern haben auch funktioniert...

"weiters baut jedes kunstwerk am technologisch-spirituellen weitergehen unserer kulturellen weiterentwicklung" :
Was Sie hier schreiben ist zwar nicht falsch aber das technologisch-spirituelle Weitergehen unserer kulturellen Weiterentwicklung steckt schlicht in ALLEM
was uns umgibt und ist somit überhaupt kein Kriterium für Kunst; sondern eine Frage spirituellen Erfassens, ein Schlüssel.
Kunst braucht Schlüssel. Mindestens zwei. Aber auch die Schlüssel sind noch keine Kunst.
Was Sie als Seele beschreiben, das multifabulative Setting, ist eine perverse Ausgeburt politischer Macht. Multiple Choice Räumchen eben ...
Die Folge ist Krankheit.
Liebevoll und detailreich bedeutet eben noch lange nicht verantwortungsbewusst oder gar sozialbewusst.
Wie Sie sagen gibt das Spiel keine Antworten. Ist ja auch für Erwachsene gell -
Stellt es denn zumindest die richtigen Fragen ?
Sei es drum.
Die inhaltlichen Nuancen die Sie beschreiben, erschließen sich den vielen Kindern und Jugendlichen die dieses Spiel spielen nicht.
Da kommt Ihr letzter Satz wie gerufen :
"denn für eines kann kein kunstwerk die volle verantwortung übernehmen: dafür, was der betrachter daraus macht."
Dieser Grundsatz gilt nur solange es Menschen gibt.
Mit dieser Erkenntnis sollte die künstlerische Verantwortung (sie besteht ausschließlich dem Werk gegenüber) einhergehen.
Genesis ≥ Genesung
david ramirer - 8. Jul, 15:36

ich übernehme - da ich ja auch nicht der urheber bin - keinesfalls die verantwortung für gtaIV.
aber mir erschliessen sich eben die feinen nuancen dieser schöpfung, und meine begeisterung mag in dieser diskussion schon an enthusiasmus grenzen, was mir auch nicht unrecht ist. wird ein kunstwerk an all den menschen gemessen, die seine botschaft nicht verstehen?

ihr gaskammern-vergleich ist nicht notwendig: es hätte genügt, darauf hinzuweisen, dass z.b. eine zitronenpresse auch funktioniert, aber keine kunst ist.
vieles, das funktioniert, ist keine kunst. doch im kontext der kunst gibt es - und das ist meine nahezu ständige beobachtung - eine unermesslich große zahl an "bildern" und "kunstwerken", die leer von jeglicher seele sind, nur gemacht, um das eigene ego zu streicheln oder aber mit möglichst wenig aufwand viel geld zu lukrieren. solche erbärmlichen bilder und andere elaborate sah ich schon in museen, in unzähligen galerien, und die verantwortung war ganz klar beiseite geräumt. diese bilder "funktionierten" nicht.
"es ist doch ganz egal, was auf einem bild drauf ist" - so sagen dann diese scharlatane - "irgendein trottel kauft es schon, und dann bin ich ein künstler". so viele möchtegernmaler und möchtegernkünstler laufen herum und glauben tatsächlich, dass ein bild schon alleine durch die tatsache, dass es gemalt wurde, irgendjemanden interessieren muss. die folge ist: eine vermüllung der kunstwelt, ein zukleben aller verfügbaren wände. und die bilder schreien: sie sind gequält von verantwortungslosen verbrechern, die nur sich selbst im auge haben, nur der eigenen marktplatzierung hinterherlaufen.

mein letzter satz stimmt nur bedingt (und selbstverständlich nur, solange es menschen gibt): es sollte zumindest der versuch unternommen werden, das, was der betrachter aus dem bild herausnehmen kann, im auge zu haben. zu oft schon sah ich bilder, wo nicht einmal ein ansatz dazu vorhanden war.

kunst und moral ist nicht immer deckungsgleich. kunst hat in meiner definition keinen politischen anspruch, und dient auch nicht zwingenderweise einem sozialen ziel. das kann sie zwar, aber es ist nicht zwingend.
mich widern auch die künstler an, die hinter dem deckmantel sozialer zuwendung, oder vorgeschobener moralischer ansprüche, ihre egos aufblähen: kunst ist keine politik - und mir ist es ganz egal, wenn rohrkrepierer wie joseph beuys das anders gesehen haben: sein beitrag ist z.b. völlig entbehrlich (in künstlerischer hinsicht), wenngleich ihn hunderte studenten und alternative philosophen bis heute als gott definieren.

doch ich kann auch zustimmen: den meisten wird sich gtaIV nicht erschliessen, eben weil der schlüssel (oder auch die...) fehlt.
da sagt der große kommerzielle erfolg gar nichts aus. auch die vorgänger hatten diese eloquenz schon, doch die künstlerische relevanz, also die botschaft? die kam bei fast niemandem an, denke ich.

vielleicht bin ich sogar der einzige, der gtaIV "verstanden" hat.

was solls...
Reh Volution - 9. Jul, 01:10

Die Verantwortung wollte ich Ihnen nicht in die Schuhe schieben.
Ich habe auch nicht gesagt, das Kunst politisch, sozial oder moralisch sein muß.
Beuys ist kein Gott, aber ein Rohrkrepierer ist er nun auch wieder nicht.
Gewissermaßen war er ein Idealist, ein Didaktiker und Schamane.
Sie hingegen halte ich für einen Punk; von Innen -
Ihre Vorliebe für Italo Western und auch Ihr leicht resignatives Fazit hinsichtlich der Botschaft von gta IV bestärken mich noch in dieser Annahme.
Ich gebe zu, das ich nur vice city aus der gta Reihe kenne.
Bei diesem Spiel vermittelte sich mir keine Kunst.
Andererseits bin ich davon überzeugt, das es Ihnen sofort gelänge die inhaltliche Tiefe des vierten Teils künstlerisch zu transportieren.
Es aus der multiple choice Form zu befreien ;°)

LG

Reh
david ramirer - 9. Jul, 01:24

vice city gefiel mir aus der gta-reihe am wenigsten - auch hier stehe ich im krassen widerspruch zum mainstream. vice city war zu "gewollt", zu sehr an "miami vice" angelehnt, zu wenig eigenes. die anderen teile funktionieren da besser.

"punk; von innen" - das gefällt mir.
stimmt vielleicht sogar: ich bin ein nur im innern sich auflehnender dreckiger anarchist, der nach außen konservativ und sehr angepasst ist, bei dem gtaIV deswegen auf fruchtbaren boden fällt, weil es in seinen ironischen ansätzen die etwas schiefe politisch/soziale/gesellschaftliche auflehnungsfreude stützt.
david ramirer - 9. Jul, 01:33

p.s.

die italo-western sind nur eine phase. derzeit gefallen mir da auch nur vier filme, und sicher nicht alles aus dieser gattung.
meine vorliebe gilt im film einer großen menge an sehr differenten stoffen: peter greenaway, david lynch, lars von trier, michael mann... aber dann auch jede menge schund und mist. das nur, um dem zu entgegnen, ich hätte eine "vorliebe für italo western" - was so nicht stimmt.

punk bin ich dennoch - wenn auch nur innen :-)
david ramirer - 9. Jul, 01:45

pp.s.

wenn ich gtaIV aus der multiple choice form befreien würde, dann landeten wir erst wiederum beim film - denn die erzählte geschichte fegt so manchen heutzutage dem publikum zugemuteten movie-dreck vom tisch. die mehrdimensionale begehmöglichkeit einer filmhandlung ist der revolutionär neue ansatz, den gtaIV einbringt (neben dem genialen setting). aber da sollte es doch hoffentlich noch weitere, epochalere werke geben in zukunft.
es wäre zum beispiel interessant, den roman "die strudlhofstiege" als derart begehbares kunstwerk zu haben. doch genau hier ist das problem: die sogenannte "ernste kunst" ist an dem, was in der nicht ernst genommenen "lustigen kunst" (games, comics und film) passiert, kaum interessiert; von zusammenarbeit ganz zu schweigen.
im comic, glücklicherweise, funktioniert die befruchtung in die eine richtung schon ganz gut (grafic novels usw.).

ich hoffe sehr, dass die andere richtung sich auch noch auftut und eines tages ein episches kunstwerk ohne gewalttätigem anspruch im neuen rahmen erstrahlt.
bis dahin vergnüge ich mich staunend bisweilen in gtaIV, und warte...
Reh Volution - 9. Jul, 12:43

Moin moin,

die Tür ist offen. Bei der Berliner Biennale 08 wurde unter anderem Comic ausgestellt, und zwar Originale eines türkischen Zeichners. Masist Gül
Nebenbei war er Wrestler und Schauspieler. Sein Thema : gut gegen böse; seine Farben : rot, blau, grün, schwarz
Mittel : wahrscheinlich Kugelschreiber :°))
Ein anderes Beispiel die fachpraktische Prüfung meiner Mitbewohnerin.
Sie präsentierte gestern technisch bemühte Arbeiten an der Kunsthochschule.
Ihr Prof. bemängelte ihre Haltung und letztlich den aufgesetzten Ernst.
Als dann heraus kam das sie "privat" an Comics und cartoons arbeitet ermunterte er sie geradezu diese Arbeiten im Rahmen der Diplomprüfung zu präsentieren.
Also, da geht was -
Die zwangsläufige Folge einer Befreiung von der multiple choice Form zum Film
kann ich wiederum nicht nachvollziehen. Da ist mehr drin -
Zumindest wenn Sie von uns reden ;°)
Lars von Trier und David Lynch finde ich auch sehr interessant.
Idioten ist unheimlich intensiv. --- v. Trier geht nah.
Die dogma Filme finde ich weitestgehend gut. Empfehlenswert ist z.B. "Mifune".
Sehr unterhaltsam auch der Film "Wilbur wants to kill himself"
Auch "Naked Lunch" v. Cronenberg scheint mir ein Meisterwerk zu sein.
Ich merke schon das mein Enthusiasmus für Film mit mir durch geht.
Die List würde den Rahmen sprengen.
So long
punk (t) punk (t) punk (t)
david ramirer - 9. Jul, 15:39

mir gefallen ja dogville und manderlay am besten.

die tür ist offen, zumindest einen spalt breit - aber solange der begriff "ernste kunst" noch existiert, ist viel zu tun.
und das ist ja wiederum ein auftrag.

also weiter...

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Meine Kommentare

ist die beobachtung durch...
ist die beobachtung durch den menschen kein einfluss?
WolfgangSchmid - 18. Feb, 13:59
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Lieber für etwas gehasst werden, das man ist, als für etwas geliebt werden, das man nicht ist.
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