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einige gitarren, ein klavier, mikrophone von der decke, kleine schaumstoffpyramiden an den wänden. ein studio in new york an der upper east side. es ist ein warmer septemberabend draußen über der stadt. bob dylan verbrachte ihn bis etwa 5 p.m. auf der veranda seines freundes bill clinton, wo die beiden marihuana rauchten und kreatives schlafen praktizierten. bob braucht diese rituale mit freunden, bevor er ins studio geht, seit so vielen jahren, nach so vielen platten. jetzt, pünktlich um 7:34 p.m., sitzt er alleine hier im studio und schaut auf das geöffnete klavier. ähnlich wie helmut schmidt in deutschland darf auch bob dylan an jedem ort hemmungslos rauchen, selbst wenn an der wand ein großes, rot leuchtendes warnschild mit der aufschrift „do never smoke“ angebracht ist. die rauchwolken der siebenten camel filter ziehen wie magisch in den innenraum des flügels, sie stauen sich dort, scheinen sich einzunisten. vor den augen dylans aber wird das klavier zum sarg. er sieht im rauch eine spiegelung seiner eigenen gewohnt gelockten haare, er selbst daran mit dem kopf anmontiert, im besten anzug plus krawatte, eingebettet in verplüschte seitenwände. er wollte doch erste demos für die neue platte aufnehmen, nicht sich selbst im sarg visualisieren. verstimmt dämpft er die zigarette auf seinem linken unterarm aus und legt den stummel zärtlich zu den anderen auf den boden. er ist müde… das gras wirkt wohl immer noch. wie in trance steht er nun auf, verfügt sich zum flügel und platziert sich vor den tasten. im bleiernen halbschlaf geht es jetzt los.
(aus: 2015 - fuck me tender/Februar)
(aus: 2015 - fuck me tender/Februar)
david ramirer - Donnerstag, 13. Oktober 2016, 23:16
guter text.
danke für die rückmeldung!
;)
ich frag mich
aber das fragte ich mich bei schmidt auch..... - ja in der tat, es ist ein guter, cooler, lakonischer text!
@woelfin
die medizin ist keine exakte wissenschaft.
dass das ausufernde rauchen nicht zur körperlichen gesundheit beiträgt, liegt auf der hand. nichts ausuferndes ist gesund.
aber wir werden vielleicht nie wissen, warum der eine, der niemals im ganzen leben eine zigarette im maul hatte, mit 42 jahren todkrank wird,
und der andere, der täglich eine schachtel tschick verschlingt, noch mit 80 jahren kaum nennenswerte leiden hat.
andere wiederum fangen sich einen lungenkrebs und verenden qualvoll... es bleibt alles ein rätsel, das körperliche, wenn es medizinisch durchschaut werden will.
mir ist jedenfalls klar, dass ich keine zigaretten brauche. nicht einmal beim schreiben, wie so viele journalisten.
ich beschreibe aber raucher gerne... die haben so etwas kindlich-zurückgebliebenes an sich, wie sie da an ihren glimmstengeln hängen und meinen, das sei schon eine kulturelle leistung.
ich finde das witzig. könnte tagelang lakonisch darüber schwadronieren.
(seit ich keinen geruchssinn mehr habe, stören mich raucher im leben auch viel weniger.
das ist keine altersmilde. hat nur praktische gründe.)
:)